ModeratorIn: Wir begrüßen Ulrike Lunacek - mit etwas Verspätung- im Chat. Herzlich willkommen!

Ulrike Lunacek: Herzlichen Dank für die Einladung, ich freue mich, dass ich an diesem sonnigen Tag mit den Standard-UserInnen chatten kann und freue mich auf intereassante Fragen.

Scorch: Warum haben die Grünen dem ESM zugestimmt? Sicher war Ihnen bekannt, dass der ESM einem immerwährenden Blankoscheck ohne Ausstiegsmöglichkeit gleichkommt, der keinerlei juristischer und nur eingeschränkter politischer Kontrolle unterliegt und Österr

Ulrike Lunacek: Der ESM war so etwas wie die Feuerwehr. Das Feuer , das Banken und Spekulanten verursacht hatten, musste gelöscht werden, um einen Flächenbrand zu verhindern. Die österr. Grünen haben die Tatsache, dass es in Österreich eine Zweidrittelmehrheit brauchte genutzt, um drei Dinge der Regierung abzuringen: ein besseres Informationsrecht über EU-Angelegenheiten im NR, dass sich die Bundesregierung für eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene stark machen muss und dass sich die BUndesregierung für einen europäischen Konvent einsetzt. Das haben wir erreicht und deswegen haben meine KollegINnen im NR auch zugestimmt.

Schreck: Warum neigen die Grünen in letzter Zeit zu infantilen, enervierend fröhlichen Spaßwahlkämpfen? Die menschenverachtende Austeritätspolitik der Troika stürzt viele Menschen ins Verderben, langsam kommen die ersten neoliberalen Krisenbearbeitungsstrate

Ulrike Lunacek: Plakate müssen plakativ sein, wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass wir mit dieser plakativen Werbung zum Beispiel auch die falsche Bankenrettung (durch SteuerzahlerInnen) ansprechen ("Lieber Menschen retten als Banken") und auch die Korruption in Österreich und in der EU thematisieren ("Krumme Gurken statt krumme Geschäfte"). Gegen die menschenverachtende Austeritätspolitik der Troika haben wir Grüne uns im Europaparlament ganz stark eingebracht und immer wieder auf die Versäumnisse der Troika hingewiesen, zum Beispiel, dass sie in Grechenland nicht von Anfang an für eine massive Kürzung der Militärausgaben sich eingesetzt hat und auch nicht für die Besteuerung von Reedereien und orthidoxen Kirche. Wie würden Sie das auf ein Plakat unterbringen? Details finden Sie in unserem Wahlprogramm

Beelzebub2: Laut Generaldirektor Giovanni Pinto, Direktor für den Grenzschutz in Italien, warten bis zu 800'000 Menschen in Nordafrika auf die Gelegenheit, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Soll die italienische Marine alle nach Europa holen? Was sch

Ulrike Lunacek: Es ist gut und richtig, dass jetzt Menschen gerettet werden und nciht mehr brutal im Meer ertrinken. Die EU braucht eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik und muss auch für gerechte Handels- und Wirtschaftsbeziehungen sorgen, damit die Bevölkerung vor Ort Überlebenschancen sieht. Die gestern von FM Spindelegger angekündigte Kürzung der österr. Entwicklungszusammenarbeit um 17 Millionen Euro ist eine Schande für Österreich.

stopfgm: Guten Tag! Wie erklären Sie in einem Satz, warum Wählende die Grünen und Sie wählen sollen?

Ulrike Lunacek: Weil im EU-Parlament jede Stimme zählt und weil die Grünen jene Fraktion sind, auf die Verlass ist: wir stimmen am meisten gemeinsam ab gegen Atom, gegen GMOs, für Gerechtigkeit und Solidarität.

Stifter: Warum versuchen die Grünen in der Ukraine- und Russlandpolitik, mit Sanktionsforderungen die Konservativen rechts zu überholen, statt auf Vermittlung und Diplomatie zu setzen?

Ulrike Lunacek: Wir haben von Anfang an gesagt, es braucht beides, nämlich Sanktionen, die die Oligarchen rund um Putin treffen (Reisebeschränkungen, Konten einfrieren), aber selbstverständlich auch den Dialog mit Putin - darauf beruht nämlich auch das Erfolgsprinzip der EU, Dialog statt Konfrontation. Und es scheint, dass das auch wirkt, denn Putin hat sich jetzt dafür ausgesprochen, dass die OSZE-Geiseln freigelassen werden.

Scorch: Hat die EU angemessen auf den Spionageskandal reagiert? Sollen Swift-Abkommen und Passagierdatenweitergabe an die USA fortgeführt werden? Welche Konsequenzen soll es für Großbritanniens Spionageaktivitäten geben?

Ulrike Lunacek: Nein, wir Grüne wollten, dass nach Bekanntwerden des NSA-Skandals durch Edward Snowden der Beginn der Verhandlungen des TTIP so lange verschoben wird, bis der Skandal geklärt ist. Weder Europäische Sozialdemokratie noch Europäische Volkspartei haben diesem Vorschlag im EP zugestimmt. Swift und PNR müssen auf jeden Fall gestoppt werden. Auf jeden Fall braucht es parlamentarische Aufklärung für alle diese Spionageaktivitäten.

Robert Cvrkal: Sehr geehrte Frau Lunacek Was haben sie gegen die traditionelle Familie bestehend aus Vater, Mutter und Kind und gegen den christlichen Glauben?

Ulrike Lunacek: Ich habe gar nichts gegen die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kind oder gegen den christlichen Glauben. Aber ich habe etwas gegen Diskriminierung und bin für die rechtliche Gleichstellung von Leseben und Schwulen inkl. Ehe- und Adoptionsrecht. Dafür sind ja mittlerweile auch Teile der ÖVP. Der Gedanke derchristlichen Nächstenliebe sollte doch für alle Familien gelten.

Neue Kraft: Welche Möglichkeiten sehen Sie auf EU-Ebene, den Einfluss der Bürger- und Arbeitnehmervertreter und Konsumentenschützer zu stärken, und die (zumindest gefühlte) Allmacht der Industrie und der Banken einzudämmen?

Ulrike Lunacek: Dafür wird die Wahl am 25. Mai entscheidend sein. Denn wer grün wählt, bekommt mehr Mitsprache von BürgerInnen (wir waren entscheidend für die demokratischere Ausgestaltung der europ. Bürgerinitiative), bekommt mehr Rechte für ArbeitnehmerInnen und auch mehr Konsumentenschutz. Das können Sie auf der Website greens-efa.eu im Detail nachlesen.

Diaoyu: S. g. Frau Lunacek, was spricht Ihrer Ansicht nach dagegen, dass der Präsident der Europäischen Kommission von den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union direkt gewählt wird?

Ulrike Lunacek: Ich will kein Präsidialsystem in der EU, sondern halte es für sinnvoll, dass der/die PräsdentIn der Kommission, nachdem er/sie sich der Wahl stellt, vom Europaparlament gewählt wird.

Josef Speckbacher: Was ist an der EU noch Demokratisch? Die EU will nationale Demokratien durch eine Art Technokratie ohne Widerspruchs- oder Einspruchsrechte ersetzen. Schäuble spricht sogar davon, dass die Krise sehr gut ist um nationale Parlamente zu schwächen und

Ulrike Lunacek: Zum Beispiel die Wahlen zum Europäischen Parlament sind auf jeden Fall demokratisch. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, dass jede Stimme zählt: Anfang April stimmten wir darüber ab, ob es bei der Erweiterung von Atomkraftwerken verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfungen geben muss oder nicht. Wir haben diese Abstimmung mit einer Stimme verloren (311 zu 311), das heißt, eine grüne Abgeordnete mehr (z.B. drittes Mandat aus Österreich) hätte die UVP verpflichtend gemacht. Im Gegensatz zum Nationalrat gibt es im EU-Parlament keinen Klubzwang.

UserInnenfrage per Mail: In welchen ausschüssen sind Sie momentan vertreten und nennen Sie bitte ein anliegen, das dort bearbeitet wird, das Ihnen besonders am herzen liegt. So konkret wie möglich.

Ulrike Lunacek: Im außenpolitischen Ausschuss setze ich mich als Berichterstatterin für den Kosovo dafür ein, dass dieses jüngste Land Europas von allen EU-Staaten anerkannt wird und dadurch der Weg in die EU geebnet wird. Im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten habe ich eine Aufforderung an die Kommission durchgesetzt, damit ein EU-Aktionsplan gegen Homophobie und Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender ins Leben gerufen wird. Das ist mir am 4. Februar 2014 gegen den massiven Widerstand von religiösen Fundamentalisten gelungen. Trotz Überflutung meines E-Mail Accounts mit über 40.000 Protest-e-mails und des Hackens meiner Website.

Hustler: Hallo Frau Lunacek, wieso ist Europa plötzlich soweit hinter den USA bei der Legalisierung von Cannabis? Vor 20 Jahren waren wir da noch weit vorne. Dieses Thema bringt soviele unechten und unnötigen Probleme mit sich - und könnte so einfach gelöst

Ulrike Lunacek: Aus eigener Erfahrung: Ich möchte nicht, dass meine Mutter oder andere, in deren Garten, weil sie Vöhel mit Hanfsamen gefüttert haben und deshalb eine Hanfpflanze gewachsen ist, dafür bestraft werden. Aber Spaß beiseite. Wir sidn gegen eine Kriminalisierung von Cannabis-KonsumentInnen

Neue Kraft: Was können Sie den Wählern sagen die Fragen zu folgenden Themen haben: Kapitalismuskritik, Grenzen des Wachstums, Alternativen zur Globalisierung. Was sind - kurz umrissen die Strategien, welche die Grünen vorschlagen? Danke herzlichst für Ihre Antw

Ulrike Lunacek: Wir Grüne sehen sowohl auf europäischer als auch auf österreichischer Ebene, dass wir den Planeten nicht grenzenlos ausbeuten können und der reinen Wachstumsideologie Grenzen gesetzt werden müssen. Die Alternative, auf die wir Grüne setzen gehen in Richtung mehr soziale Gerechtigkeit im globalen Rahmen und eine Trendumkehr zu nachhaltiger Nutzung von Energie und Ressourcen. Lieber Herr Hausmann, wenn Sie mir eine Mail oder Postadresse geben, schicke ich Ihnen gerne das österr. und europ. grüne Wahlprogramm, bzw. finden Sie es auf den entsprechenden Websites.

UserInnenfrage per Mail: Wie oft werden sie im EP von lobbyisten angesprochen?

Ulrike Lunacek: Im außenpolitischen Ausschuss sind meine "Lobbyisten" vor allem Botschafterinnen und Botschafter, bzw. in Entwicklungspolitischen- und Menschenrechtsfragen sind es Organisationen der Zivilgesellschaft. Solange bei Lobbying kein Geld oder andere Anreize für Gesetzesänderungen im Spiel sind, ist Lobbying auch ok. Problematisch wird es dort (siehe Ex-ÖVP-Spitzenkandiaten Strasser), wo Geld für Gesetzesänderungen angeboten bzw. angenomemn wird.

Hossa! Hossa! Hossa! Olé!!!: Sehr geehrte Frau EU-Spitzenkandidatin der Grünen, welche politische Schützenhilfe bräuchte es, damit sich die Grünen in der EU wieder primär auf ihre anfänglichen ökologischen Grundsätze konzentrieren würden (..., da es hier an allen Ecken und Ende

Ulrike Lunacek: Gefallen Ihnen unsere Paradeiser, Gurken und Schweinderln nicht? Uns geht es nämlich auch in diesem Wahlkampf ganz zentral um Umwelt- und Lebensmittelfragen. Wir kämpfen gegen die Macht der Saatgut- und Agrarkonzerne. Es ist uns zum Beispiel gelungen, die Saatgutverordnung zurück an die Kommission zu verweisen und den Bienenschutz zu forcieren. Das wird aber auch im nächsten EU-Parlament Thema sein, denn die Nichverwendund der Neonicotinoide ist nur auf zwei Jahre beschränkt. Wir Grüne stehen auch im nächsten EU-Parlament verlässlich hinter den Bienen und anderen Umweltthemen.

UserInnenfrage per Mail: Die verhandlungen zum TTIP wurden nun transparenter gestaltet. Warum tun die grünen noch immer so, als passiere alles hinter verschlossenen türen?

Ulrike Lunacek: Es stimmt leider nicht, dass die Verhandlungen nun transparenter sind. Einziger Erfolg des Drucks auf den liberalen Handelskommissar De Gucht war, dass er für sein Vorhaben der Investor-Staatsklagen einen dreimonatigen Konsultationsprozess eingeschoben hat. Mein Verdacht ist jedoch, dass das vor allem deshalb war, um nach der EU-Wahl einfach weiter zu machen wie bisher.

Intenso: In Zukunft werden wir auf alternative Energiegewinnung umsteigen müssen. Ich bin für BIO und nachhaltigen Anbau sowie erneuerbare Energiegewinnung. In mir erweckt es den Eindruck als sehen die Grünen für den Menschen "nur" das Bestrafungssystem um U

Ulrike Lunacek: Die Grünen setzen sich sehr stark für Anreizsysteme ein, das funktioniert auch in vielen Bereichen. Es gibt mittlerweile auch in vielen Kindergärten und Schulen biologische Lebensmittel, weil Eltern das auch wollen für ihre Kinder und die Kinder auch lieber gesund essen. Ein anderes Beispiel ist die Jahreskarte für die Öffis in Wien. Das 365-Euro-Ticket, also 1 Euro pro Tag, war für viele Wienerinenn und Wiener ein Anreiz, vom Auto auf Öffis umzusteigen. Die Grünen in Oberösterreich haben z.B. Fördermittel für den Umstieg von Ölheizungen auf Pelletheizungen durchgesetzt. Auch das ist ein Anreiz- und kein Bestrafungssystem.

laborratte: wie wollen sie dem zunehmenden Rechtsruck in Europa begegnen? Wenn Parteien wie die FPÖ mit ihren populistischen Schreiereien trotz Verstrickungen in unzählige Korruptionsskandale offensichtlich mehr Erfolg haben, als die Grünen, rennt irgendwas sch

Ulrike Lunacek: Hier haben wir Grüne ein ganz klare Ansage, dass nämlich die FPÖ mit ihrer hetzerischen Politik und mit ihrer mit Marin Le Pen abgesprochenen Vorhaben raus aus Euro und Schengen zu gehen, die Zukunft vor allem der jungen Menschen aufs Spiel setzt. Mit einem Euro-Austritt Österreichs würden 200.000 Arbeitsplätze verlorengehen und auch die Errungenschaften von Reisefreiheit und gemeinsamer Währung.

ModeratorIn: Die Stunde ist leider schon wieder vorbei. Vielen Dank an Ulrike Lunacek und an Sie liebe User fürs Mitposten!

Ulrike Lunacek: Vielen Dank an für die vielen spannenden Fragen und an den Standard für das Organisieren dieses Chats. Falls Sie noch weitere Fragen haben, bitte über FB, Twitter E-Mail oder persönlich im Rahmen unserer Grünen Wahlkampftour.