Los Angeles / Wien - Neuerungen gab es bei den 86. Academy Awards an diversen Fronten, nicht alle hatten mit der Vergabe der begehrten Statuetten zu tun. Es war beispielsweise das erste Mal, dass während der Gala Pizza verspeist wurde - bestimmt zum Ärgernis des ein oder anderen Gesundheitstrainers. Moderatorin Ellen DeGeneres hatte die Lieferung bestellt, sie war es auch, die mit einem Selfie, zu dem sich eine Traube von Hollywoodgrößen gesellte, soziale Medien direkt in die Show einschleuste. Das millionenfach geteilte Foto hat Twitter einen Moment lang lahmgelegt.
Wirklich historisch war aber der Sieg des Mexikaners Alfonso Cuarón, der für Gravity als erster Lateinamerikaner mit einem Regie-Oscar ausgezeichnet wurde. Das Weltraumdrama geriet mit sieben Auszeichnungen zum erfolgreichsten Film des Abends. Steve McQueens Solomon-Northup-Adaption 12 Years a Slave konnte sich als bester Film durchsetzen, blieb aber mit drei Oscars deutlich hinter Gravity.
Eine Aufteilung der Preise war durchaus prognostiziert worden: Die Academy setzte schon bei den Nominierungen auf Diversität. Man wollte einerseits einen thematisch relevanten Film prämieren, ohne auf der anderen Seite ein - bei der Kritik und an den Kinokassen - erfolgreiches visuelles Spektakel zu umgehen. Bei der Oscar-Verleihung geht es schließlich immer auch darum, wie die Industrie von außen betrachtet werden möchte.
Gravity konnte sich hauptsächlich in technischen Kategorien durchsetzen, obwohl die kunstfertigen Pirouetten von Kameramann Emmanuel Lubezki, der auch die jüngeren Filme von Terrence Malick fotografiert hat, solche einseitigen Zuschreibungen verbieten. Lubezki setzte sich gegen seinen britischen Kollegen Roger Deakins (Prisoners) durch, der bereits das elfte Mal auf seinem Stuhl verharren musste.
Auslassungen wie diese gehören zur Geschichte des Oscars, die Niederlagen sind nicht minder interessant als die Triumphe. Dass sowohl Martin Scorseses The Wolf of Wall Street als auch American Hustle von David O. Russell ohne Auszeichnung blieben, kam dennoch nicht ganz unerwartet - die Favoriten waren diesmal auf etliche Filme aufgeteilt, und diese beiden Arbeiten konnten zu wenige davon für sich verbuchen.
Zufällig und subjektiv
Dies bildete sich auch bei den Schauspielpreisen ab. Die Australierin Cate Blanchett, die für Blue Jasmine als beste Hauptdarstellerin prämiert wurde, bezeichnete die Entscheidung in ihrer Dankesrede als "zufällig und subjektiv" - darüber täuscht man sich bei Galas dieser Art gerne hinweg. Leonardo DiCaprio wird dies dennoch wenig Trost bereiten, er ging bereits zum vierten Mal leer aus.
Bester Hauptdarsteller wurde - auch dies keine Überraschung - Matthew McConaughey für Dallas Buyers Club. Die Verwandlung des texanischen Schauspielers vom Schönling zum Charakterdarsteller war zu verblüffend, um sie zu umzugehen. In Hollywood, wo man Rollenprofile auch aufgrund ihres wirtschaftlichen Werts pflegt, ist eine Neuerfindung wie diese eine echte Seltenheit.
Hinsichtlich der emotionalen Qualität der Dankesreden hatten dennoch die Nebendarsteller die Nase vorn: Lupita Nyong'o zitterte im himmelblauen Kleid die Stimme, als sie ihre Trophäe für 12 Years a Slave von Christoph Waltz entgegennahm. Jared Leto, der auch für Dallas Buyers Club prämiert wurde, dankte im weißen Anzug und mit Venice-Beach-Frisur seiner Mutter. Er sprach auch Zusehern in der Ukraine und in Venezuela Mut zu.
Es blieb der einzige Versuch eines tagesaktuellen Statements. Auch Ellen DeGeneres wirkte bei ihrer Moderation vorsichtig, gebremst - man wollte sich offenbar aufs Kerngeschäft, die Unterhaltung konzentrieren und mit leichten, wenig originellen Einlagen ein jüngeres Publikum vor dem Fernseher halten - zur Not eben auch darüber, dass man auf ein soziales Medium auswich. So spiegelte diese Oscar-Gala auch die Änderungen unserer Mediengewohnheiten. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 4.3.2014)