Endlich einmal selbst Medien gestalten, im Mittelpunkt des Wirbels stehen und hinter den Vorhang der Meinungsmache blicken: Diesen Wunsch erfüllt uns das Browsergame "The Republia Times". Der Vorgänger zu "Papers, Please" spielt im selben dystopischen Universum wie die Migrationssaga über Arstotzka.
Wir finden uns in der Chefredaktion der "Republia Times" wieder, eines staatsnahen, täglich erscheinenden Blattes. Sekündlich kommen hier die Pressemeldungen herein, und unsere Aufgabe ist klar: die "richtigen" News auswählen, damit das Volk der Regierung gegenüber möglichst loyal bleibt. Der bei den schnell hereintrudelnden Meldungen entstehende Stress ist erstaunlich realitätsnah; Größe und Platzierung der Story bleibt uns überlassen. Wetter oder Generalstod? Rebellenanschlag oder Celebrity-Hochzeit? Sollen wir die Fotos vom Republia-Führer in Frauenkleidern bringen, weil wir damit wohl Leserinnen und Leser gewinnen, oder lassen wir es, weil uns sonst sein Zorn trifft?
Meisterstück und Herausforderung
Wenig überraschend kommt man in Rebublia nicht weit, wenn man besonders moralisch handeln möchte. Wer ab dem ersten Tag ausgewogene, relevante und ehrliche Nachrichten bringt, wird das Ende desselben nicht mehr erleben.
Die Balance zu halten, während unsere Familie sich in Obhut des Staates befindet und zugleich die Rebellen versuchen, uns auf ihre Seite zu ziehen, ist nicht einfach. Und das ist insbesondere auch vom Gameplay her der Fall: Mehr als einige Tage Chefredakteurin oder Chefredakteur der "Republia Times" zu bleiben ist selbst für Medienprofis Meisterstück und Herausforderung.
Wenn wir nicht sehr gut aufpassen, was wir vermelden, werden wir nämlich outgesourct: "Das Medienministerium Republias hat eingesehen, dass Print keine Zukunft mehr hat, und fokussiert seine Aktivitäten nurmehr auf Onlineberichterstattung." Oder noch Schlimmeres.
Skepsis gegenüber Organisationen
Was besticht, ist die subtil eingeflochtene Ambivalenz in Spielen von Lucas Pope. Wir erfahren weder in "The Republia Times" noch in "Papers, Please" eigentlich, was in Republia oder Arstotzka wirklich passiert und woraus die Rebellion sich speist. Die Mittel und die Rhetorik der beiden Seiten gleichen sich, und das, so der herbe Beigeschmack, ist kein Zufall. Man kommt nicht darum herum, als Botschaft mitzunehmen, allen Organisationen gegenüber mit hypochondrischer Skepsis aufzutreten.
Die Verflechtungen bleiben auch für uns Insider unüberschaubar, die Intentionen verdächtig undurchsichtig. In einer Welt, in der die einzige Wahrheit im familiären Kern liegt, bleibt uns am Ende also nur eines übrig: der Klick auf den "Accept Fate"-Button. (Olja Alvir, daStandard.at, 4.3.2014)