Während Moocs für die viele ein Schritt zur Demokratisierung der Bildung darstellt, kritisieren andere die Homogenisierung der Hochschulbildung.

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Für die einen sind sie der Schlüssel für die Freiheit der Wissenschaft, die anderen sehen darin eine Blase, die ähnlich wie die Dotcom-Blase bald platzen wird. Die Rede ist von Moocs (Massive Open Online Courses). Seit rund einem Jahr erleben sie einen regelrechten Boom. Im Gegensatz zu anderen Open-Education-Anwendungen, bei denen Lehrende ihre Uni-Vorlesungen aufzeichnen und sie via Internet vielen zugänglich machen, sind Moocs als reine Online-Kurse konzipiert. Studierende sollen an Diskussionsforen teilnehmen, bekommen Hausarbeiten und können Prüfungen ablegen. Bis zur Prüfung ist meist alles kostenlos. Vorkenntnis und Aufnahmetest sind nicht erforderlich. Wer einen Computer mit Internetzugang hat, kann studieren. Und das tun auch viele, weltweit.

Salman Khan gilt als Pionier dieser Entwicklung. Er stellte ursprünglich nur für den Familiengebrauch gedachte Mathematiknachhilfevideos auf Youtube. Das Interesse daran war aber auch außerhalb des familiären Umfelds groß. 2009 kündigte er seinen Job als Hedge-Fonds-Analyst bei Connective Capital Management und gründete die Khan Academy.

Sebastian Thrun, Professor an der renommierten Stanford University, gehört ebenfalls zu den Ersten, die Kurse auch online abgehalten haben. 160.000 Studierende aus mehr denn 190 Ländern nahmen an dieser Lehrveranstaltung teil, 23.000 von ihnen legten erfolgreich die Prüfung ab, mehr als 400 Studierende waren besser als der beste Stanford-Student. Gemeinsam mit Kollegen gründete er 2012 die Online-Akademie Udacity. In den ersten drei Monaten haben rund 90.000 Studierende eine Lehrveranstaltung an der virtuellen Hochschule besucht.

Ivy League zieht mit

Mit Coursera gründeten zwei weitere Stanford-Professoren eine Online-Akademie. Im Gegensatz zu Udacity, die ihren Schwerpunkt auf Informatik und Naturwissenschaften gelegt hat, finden sich bei Coursera auch viele geistes- und sozialwissenschaftliche Kurse. Auf der Plattform edx.org öffnen renommierte Universitäten wie Harvard oder das MIT ihre virtuellen Türen zur Hochschulbildung. Und mit dem Minerva Project soll ab 2015 eine eigene Online-Universität auf Ivy-League-Niveau entstehen.

Unterstützt durch die Europäische Kommission, wird auch auf europäischer Ebene an einer Mooc-Universität gearbeitet. Federführend dabei ist der Verband der Fernuniversitäten, etwa 40 unterschiedliche Kurse in zwölf Sprachen sollen verfügbar sein. Einige deutsche Universitäten bieten ausgewählte Lehrveranstaltungen bereits über Coursera an. Mit iversity soll die erste kommerzielle Mooc-Plattform in Deutschland entstehen. Gemeinsam haben sie alle dieselbe Vision: Bildung als Grundrecht - und Hochschulbildung möglichst vielen zugänglich zu machen.

"McDonaldisierung" der Bildung

Während diese Entwicklung für die einen der fehlende Schritt zur Demokratisierung der Bildung darstellt, kritisieren andere die Homogenisierung der Hochschulbildung. Als problematisch etwa erachten Jason Lane und Kevin Kinser in ihrem Blog auf chronicle.com, dass Tausende von Studierenden aus der ganzen Welt denselben Kurs mit demselben Inhalt und denselben Vortragenden besuchen. Für sie sind Moocs die Spitze der "McDonaldisierung" der Hochschulbildung. Moocs würden zwar den Zugang zu erstklassiger Hochschulbildung jedem ermöglichen, aber der Inhalt sei eine "standardisierte Fertigpackung", die das Risiko in sich birgt, die Vielfalt der Lehre zu minimieren.

Ähnlich auch die Befürchtung von Peter Burgard, Professor für Deutsch in Harvard. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagt er: "Was soll das für eine Bildung sein, wenn sämtliche Philosphie-Studenten im Land die Vorlesung eines einzigen Star-Professors - und damit seine Interpretation - über Gerechtigkeit hören?" Für ihn sind Moocs nichts anderes als TV-Shows.

Moocs bergen für Burghard noch einen weiteren Nachteil. Lernen passiere auch durch Interaktion, durch den Austausch mit Kollegen. Eine gute Vorlesung bestehe darin, auf die Studierenden zu reagieren, mit ihnen zu diskutieren, auch sein eigenes Denken zu hinterfragen. Allein, daheim gemütlich auf der Couch gibt es das nicht, so Burghard.

Auch die Vision der Mooc-Betreiber scheint ihren visionären Charakter noch nicht abgelegt zu haben. Das Bildungsangebot erreicht derzeit nur wenige Teilnehmer aus benachteiligten Regionen. Rund 40 Prozent der User von Coursera kommen aus den USA und nur fünf Prozent aus Indien. Und die Abschlussquoten sind niedrig. So würden kaum zehn Prozent den Kurs abschließen. (Gudrun Ostermann, KARRIERENSTANDARDS, 2013/2014)