Bei Erscheinen ihres Debütalbums überschlug sich die britische Musikpresse. Nun ist das bei britischen Musikern keine Seltenheit, es galt also Vorsicht, auch im Falle von Anna Calvi. Ihr wurde sogleich das PJ-Harvey-Kreuz auf die Schultern gelegt, daran hatte sie entsprechend schwer zu tragen. Noch dazu, wo sie über manche Strecken eher wie Gianna Nannini als die Selbstzerfleischungs- und Schmerzensmutter Harvey klang. Aber Calvi bestand diese Prüfung, im Herbst vergangenen Jahres erschien mit One Breath das Folgewerk, heute Mittwoch gastiert die 33-jährige Sängerin und Gitarristin im Wiener Chaya Fuera.

Den Harvey-Vergleich müssen heute ohnehin alle expressiven Popdamen aushalten, die sich den schattigeren Themen verschrieben haben. Calvi macht das auf One Breath überzeugender als noch vor drei Jahren. Atmosphärereiche Arrangements wie im Stück Cry bilden das Rückgrat ihrer Musik. Dazu produziert sie eine Geisterhausaura, die sie mit ihrer Stimme oder mit krachenden oder drückenden Gitarren zerreißt.

Kein Wunder, dass jemand wie Nick Cave sie unter seinen Schild bat und sie einlud, für seine letzte Tour mit Grinderman das Vorprogramm zu bestreiten. Damals konnte man Frau Calvi zum ersten Mal in Österreich sehen. Heute, in kleinerem Rahmen, dürfte ihre Kunst in der Art erblühen, die ihr wohl am besten ansteht. In der Intimität des Halbdunkels. Dort lässt sich am Leben gar so herrlich verzweifeln. (flu, DER STANDARD, 5.3.2014)