Das französische Wirtschaftsministerium gab am Dienstag bekannt, Frankreich wolle eine "Politik der Lohnmäßigung" für Konzernchefs in der aktuellen Konjunkturflaute vorantreiben. "Konkret wünschen wir, dass die Gesamteinkünfte von Vorstehern der Unternehmen mit staatlichen Minderheitsbeteiligungen um 30 Prozent sinken", führte der Sprecher aus.

Großverdiener

Betroffen sind mehrere hundert Unternehmen, da Frankreich einen starken gemischtwirtschaftlichen Sektor hat. Bekannte Großkonzerne sind der Autobauer Renault, die Fluggesellschaft Air France oder der Telekomanbieter Orange. Renault-Boss Carlos Ghosn gehört mit gut 13 Millionen Euro im Jahr zu den absoluten Topverdienern im Land. Er sträubt sich gegen eine Gehaltssenkung und argumentiert, andere europäische Konzernchefs verdienten noch mehr als er.

Die Umsetzung der neuen Regierungsvorgabe ist theoretisch nicht garantiert, da der Staat in den Verwaltungsräten oft nur über einen Vertreter verfügt. Beim Autobauer Renault, an dem der Staat 15 Prozent der Anteile hält, sind es zum Beispiel zwei von fünfzehn Delegierten. Der öffentliche Druck ist allerdings so groß, dass einige betroffene Patrons ihre Gehälter und Boni schon freiwillig reduziert haben; Gérard Mestrallet vom halbstaatlichen Energiekonzern GDF-Suez hat seine Einkünfte von 3,7 Millionen Euro halbiert.

Vor den gemischtwirtschaftlichen Unternehmen hatten schon die Staatskonzerne wie La Poste oder Areva (Atom) ihre Chefsaläre auf 450.000 Euro beschränken müssen. Der Vorsteher von Électricité de France, Henri Proglio, verdiente zum Beispiel zuvor 1,6 Millionen Euro im Jahr.

Privatsektor

Premierminister Jean-Marc Ayrault drohte verschiedentlich auch schon dem Privatsektor mit einem Gesetz. Die Unternehmerverbände Medef und Afep verabschiedeten darauf Mitte 2013 einen Kodex, der dem britischen Modell des "Say on pay" gleicht: Die Aktionäre werden zu den Topgehältern der jeweiligen Unternehmen befragt; wenn sie sich dagegen aussprechen, muss der Verwaltungsrat die Salärfrage neu beraten und die Entscheidungen in einem Kommuniqué publik machen. Großkonzerne wie Pernod Ricard (Getränke) oder Publicis (Werbung) haben diese Vorgaben bereits umgesetzt.

Große Unterschiede

Generell verdienen französische Konzernchefs mit vier Millionen Euro im Jahr etwa gleich viel wie deutsche, aber weniger als die Hälfte amerikanischer Topmanager. Die Regelungen der Boni, Aktienoptionen oder Abgangsentschädigungen sind allerdings von Land zu Land sehr unterschiedlich.

Insgesamt stellt das Beraterbüro Proxinvest auch in den Pariser Privatfirmen einen Trend zu Lohnsenkungen fest. Der Reingewinn der vierzig Unternehmen des Börsenindexes CAC 40 nahm jedoch im vergangenen Jahr noch stärker, nämlich um mehr als 25 Prozent, ab. Gewerkschafter meinen, nach dem Leistungsprinzip müssten die Spitzensaläre im Privatsektor ebenfalls um ein Viertel sinken.

Kommende Wahlen

Dass nun auch die französische Regierung via den halb- und staatlichen Sektor Druck macht, dürfte auch mit den unmittelbar anstehenden Kommunal- und Europawahlen zu tun haben.

In letzter Zeit hatte Präsident François Hollande eine eher unternehmerfreundliche Politik betrieben. Bei einem Empfang internationaler Konzernchefs und Investoren stellte er Steuersenkungen für ausländische Unternehmer in Aussicht.

Im Februar trat hingegen auch die 75-Prozent-Steuer für Millionenverdiener in Kraft. Betroffen dürften mehrere hundert Firmenchefs sein. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 5.3.2014)