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UngarInnen protestieren im Dezember 2012 gegen die Aussagen von Jobbik-Abgeordnetem Márton Gyöngyösi, der die Registrierung aller Juden im Land forderte. Gyöngyösi ist Vorsitzender der "Ungarisch-iranische Freundschaft".

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Feierlichkeiten zum Jahrestag der Islamischen Revolution in Teheran.

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Ein Fallschirmspringer gleitet unweit des "Burj-e-Azadi", des Freiheitsturms und Wahrzeichens Teherans, langsam in die Massen. Auf seinem Fallschirm sind die Farben der iranischen Flagge zu sehen, die Show beginnt. Es ist der 11. Februar, der Jahrestag der Islamischen Revolution, jener Tag, an dem sich alle Günstlinge des Regimes zusammen mit vielen schaulustigen Bürgern zu den jährlichen Feierlichkeiten einfinden - es sind Hunderttausende. Schriftliche Gratulationen kamen diesmal auch aus Ungarn. Es hat zu diesem Anlass als einziges EU-Land dem Iran seine Glückwünsche übersandt, die von Ministerpräsident Viktor Orbán und drei weiteren ranghohen Politikern: Staatspräsident János Áder, Parlamentspräsident László Kövér und Außenminister János Martonyi. "Aus Höflichkeit", wie es aus Budapest heißt.

Jobbik-Iran-Beziehungen

Zwar stellen die guten Kontakte zwischen dem Iran und Ungarn kein Novum dar, sie erscheinen aber angesichts der besonderen Zusammenarbeit durch die Orbán-Regierung in neuem Licht. Eine nicht zu unterschätzende Rolle in diesen Beziehungen nimmt der Chef der rechtsextremen Jobbik-Partei ein, Gábor Vona, der seit Jahren in regelmäßigen Abständen den jeweils aktuellen Botschafter des Iran in Budapest trifft. "Für den Iran ist Ungarn das Tor zum Westen, für Ungarn ist der Iran das Tor zum Osten", konstatierte er in einer Rede. Einer seiner ersten Auftritte im Nahen Osten führte Vona in den Jemen, wo er an einer von der Baath-Partei organisierten antizionistischen Jugendkonferenz teilnahm. Nach der EU-Wahl 2009 verglich er den Wahlerfolg seiner Partei mit "palästinensischen Partisanen, die gegen israelische Hubschrauber kämpfen", und forderte ein Jahr danach die Wahlbeobachtung durch iranische Revolutionswächter bei der ungarischen Parlamentswahl.

Bei einem Türkei-Besuch Ende vergangenen Jahres bezeichnete er den Islam als "die letzte Hoffnung der Menschheit inmitten der Düsternis der Globalisierung und des Liberalismus", wofür Vona in zahlreichen islamisch ausgerichteten Medien auf breite Zustimmung stieß. In seiner Autobiografie definiert der 35-Jährige den Islam als "das Licht". Ähnliche Töne schlug die Jobbik-Europaparlamentarierin und Menschenrechtsaktivistin Krisztina Morvai an, die mehrere Konferenzen in Teheran besucht hat. Ungarn dürfe kein "zweites Palästina" werden, sagte sie in einer Rede nach der Europawahl 2009.

Institutionalisierung der iranisch-ungarischen Freundschaft

Seit der Wahl 2010 haben sich die kulturellen und wirtschaftlichen Kontakte zwischen dem Iran und Ungarn vervielfacht. "Studienreisen" von Politikern und Wirtschaftstreibenden des rechtsrechten Lagers in den Iran sind zur Normalität geworden. Mit dem Aufstieg der Jobbik und nach ihrem Triumph bei mehreren Bürgermeisterwahlen in kleineren Orten schlossen die ersten Jobbik-Bürgermeister Städtepartnerschaften mit ihren iranischen Amtskollegen ab. Die als "Jobbik-Hauptstadt" geltende Kleinstadt Tiszavasvári im Osten Ungarns und die für ihre Teppichherstellung bekannte iranische Stadt Ardabil unterhalten seit 2011 eine Städtepartnerschaft. Die Partnerschaft der 2.500-Einwohner-Gemeinde Gyöngyöspata mit der für den schiitischen Islam heiligen, eine Million Einwohner zählenden Stadt Qom stellt den bisher bemerkenswertesten Fall dar.

Dass auch der Bürgermeister von Gyöngyöspata, Oszkár Juhász, gute Beziehungen zum Iran pflegt, ist spätestens seit seiner öffentlichen Zurschaustellung der iranischen Fahne auf seinem Schreibtisch kein Geheimnis. "Die Iraner sind keine Siedler, sie nehmen den Ungarn das Land nicht weg", sagte Juhász unlängst, bevor er eine iranische Wirtschaftsdelegation in seinem Dorf empfing. Über iranische Gelder, die nach Ungarn fließen, spekuliert der US-Geheimdienst CIA seit Jahren, gemeinsam mit dem US-Außenministerium wurde im Jahr 2009 eine Konferenz zu Mittelosteuropa abgehalten, in der auch Fragen zu Iran und Jobbik behandelt wurden.

Nach der Bildung des neuen ungarischen Parlaments im Jahr 2010 etablierte sich rasch die Abgeordnetengruppe "Ungarisch-iranische Freundschaft", deren 27 Mitglieder ausschließlich der extremistischen Jobbik und der Regierungspartei Fidesz zugehörig sind. Den Vorsitz der Gruppe hat Jobbik-Abgeordneter Márton Gyöngyösi inne, der 2012 vor dem Parlament die Registrierung aller Juden im Land forderte. Gyöngyösi, der aus einer Diplomatenfamilie stammt, ist eine der führenden Persönlichkeiten und einer der wichtigsten ungarischen Kontaktmänner zu persischen Geschäftsleuten und dem Regime in Teheran.

Der Budapester Geschäftsmann und Zahnarzt Afi Hossein Jahromi spielt eine tragende Vermittlerrolle zwischen Jobbik und der iranischen Botschaft in Budapest. Er ist Gründer einer "ungarisch-iranischen Businessgruppe", und verfolgt laut eigenen Angaben "rein wirtschaftliche Interessen". Ideologisch reiht auch er sich in die durch die Jobbik wieder populär gewordene ungarische Abstammungstheorie ein, er vertritt die Überzeugung, dass die finnougrische Abstammung der Ungarn "eine Dummheit" sei und dass Ungarn und Perser in einer "uralten Beziehung" zueinander stehen.

Iran als Teil der ungarischen "Ostöffnung"

Seit der Regierungsübernahme Viktor Orbáns im Jahr 2010 verfolgt die ungarische Regierung die "Ostöffnung". Ihre außenpolitische Strategie zielt dabei auf die stete Auflockerung alter Beziehungen zu den transatlantischen- und europäischen Allianzen ab. Gleichzeitig richtet die Orbán-Regierung ihren Blick Richtung Osten. Wirtschaftliche Partner wie Aserbaidschan, China, der Iran, Kasachstan und die Türkei sind dabei von besonderer Bedeutung.

Nach der Einrichtung von Kulturinstituten in China und der Türkei wurde eine Reihe nationaler Handelshäuser in Städten wie Abu Dhabi, Amman, Baku, Astana, Peking, Moskau, Istanbul und Riad eröffnet. Die Handelshäuser sollen den ungarischen Unternehmen neue Märkte und neue Möglichkeiten erschließen, und beim Start ihrer Exporttätigkeit in nicht EU-Ländern helfen. In diesem Jahr stehen laut derStandard.at-Recherchen weitere Eröffnungen von Handelshäusern in Algerien, Georgien, Kuwait und Vietnam bevor, dazu gehört auch die Einrichtung eines neuen "Geschäfts- und Kulturzentrums" in der nordiranischen Handelsstadt Täbris.

Am Rande der vergangenen UN-Generalversammlung erklärte der ungarische Außenminister János Martonyi, dass sein Land auf grünes Licht in der iranischen Atomfrage warte, um die Beziehungen der beiden Länder zueinander auszubauen. Martonyi war Teil jener ungarischen Politikerriege, die der iranischen Führung unabhängig voneinander ihre Glückwünsche zum 35. Jahrestag der Revolution aussprach.

Konkurrenz um Stimmen

Die offizielle Beglückwünschung seitens der ungarischen Regierung kommt ein paar Wochen vor der Parlamentswahl am 6. April. Die Regierungspartei Fidesz konkurriert stark mit Jobbik um die Stimmen der rechtsextremen Wählerschaft, die laut Umfragen für die Wiederholung der parlamentarischen Zweidrittelmehrheit entscheidend sind. In den letzten vier Jahren hat die Regierung in Verfassungsfragen wegen der Verfassungsmehrheit nicht auf die Unterstützung von Jobbik zurückgreifen müssen.

Im Jahr 35 nach der Revolution hat sich durch die vielversprechenden Atomverhandlungen auch eine neue politische Großwetterlage für Regierungen wie die ungarische aufgetan, dessen Tragweite noch nicht eindeutig abzuklären ist, fürchten kritische Stimmen. Für die Menschen auf dem Azadiplatz, dem Freiheitsplatz von Teheran wird sich trotz der besseren Reputation des Irans hingegen "wenig ändern", erklärt eine junge Besucherin der Feierlichkeiten in einem westlichen TV-Interview. (derStandard.at, 5.3.2014)