Wien – Vielleicht sollte Stefan Gotschacher besser Lotto spielen als seine Lieblingszitate auf Facebook posten. Dann müsste er sich nicht wegen Wiederbetätigung vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Susanne Lehr verantworten. Die festhält: "Jetzt ist es irgendwie auffällig, dass vier von fünf Zitaten eine Nähe zum Nationalsozialismus aufweisen. Das ist eine hohe Trefferquote."

Eine Trefferquote, die pikant ist, da Gotschacher Pressesprecher der FP Wien war, als ein "Falter"-Redakteur im Frühjahr 2013 über die Textzeilen berichtete.

"Meine Knochen könnt Ihr brechen, meinen Glauben nicht!", lautet eines der Zitate. "Und wenn sich die Reihen auch lichten, für uns gibt es nie ein Zurück", ein weiteres. "Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu" und "Lieber stehend sterben als kniend leben" fanden sich ebenfalls.

"Völlig unpolitisch"

Der 44-Jährige bekennt sich, unterstützt von Verteidiger Farid Rifaat, nicht schuldig. Denn: "Das ist alles völlig unpolitisch, sondern hat nur meine persönliche Lebenshaltung ausgedrückt."

Dumm, dass die "brechenden Knochen" aus einem Lied der in einschlägigen Kreisen beliebten Gruppe "Stahlgewitter" stammen und die "lichtenden Reihen" aus einem SS-Lied, wie ihm Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter vorhält.

Das habe er damals doch nicht gewusst, beteuert Gotschacher. "Ich habe einfach Sätze, die ich im Internet gefunden und die mir gefallen haben, kopiert!" Mittlerweile habe er recherchiert und verweist beispielsweise auf den Stehend-Sterben-Satz: "Der ist von Dolores Ibárruri, einer spanischen Kommunistin, auch genannt La Passionata", erklärt er lässig den Laienrichtern. Die Urheberin stimmt, der Beiname nicht: La Pasionaria wäre korrekt gewesen. Dass er zweimal betont, es sei auch ein jüdischer Kampfruf beim Prager Aufstand gewesen, lässt auf zumindest geografische Defizite schließen: Der Aufstand war in Warschau.

Aus tiefrotem Elternhaus

Die Unschärfen verblüffen, da er nach eigenem Bekunden belesen und politisch interessiert ist. Aufgewachsen in einem tiefroten Elternhaus, war er zwischen 1991 und 1994 SPÖ-Mitglied, dann Journalist, zuletzt Chefredakteur der Wiener Bezirkszeitung. "Dort bekam ich wahnsinnige Probleme, nachdem ich eine Geschichte über die FPÖ gemacht habe. Mit wurde intern gesagt, dass ich damit die SPÖ-Inserate gefährde."

Er kontaktierte daraufhin die FPÖ und heuerte als Pressesprecher an, wurde 2011 Mitglied und sammelte auf seiner privaten Facebook-Seite 1500 Freunde. Was schon im Herbst 2012 für Probleme sorgte: Einer der Freunde war eine Gruppe, die sich für die Freilassung eines deutschen Neonazis einsetzte. Wie das passieren konnte, kann er sich nicht erklären.

Warum ihm genau diese Zitate gefallen hätten, fragen Berufs- und Laienrichter wiederholt. "Weil Treue und Loyalität wichtige Werte für mich sind." "Ist Ihnen bekannt, das es schon einmal Aufregung um 'Unsere Ehre heißt Treue' bei der FPÖ gegeben hat?", will Beisitzer Andreas Hautz wissen. "Nein."

Fünf zu drei Stimmen

Die Geschworenen glauben ihm, nicht rechtskräftig, seine Unwissenheit und sprechen ihn mit fünf zu drei Stimmen frei. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 5.3.2014)