Mindestens vier starke Laser sollen der adaptiven Optik des Riesenteleskops E-ELT als Leitsterne dienen.

Illustration: Eso / L. Calçada / N. Risinger

Sie ist einer der größten Feinde des Astronomen: die unruhige Luft, die das Sternenlicht, das tausende oder gar Milliarden Jahre lang ungestört Richtung Erde unterwegs war, auf den letzten paar Kilometern seiner Reise zum Flimmern bringt. Luftblasen mit unterschiedlicher Temperatur und Dichte brechen das Licht wie ein ungebetenes System aus optischen Linsen, das sich dem Teleskop in den Weg stellt und vor allem eines produziert: verwaschene Bilder trotz perfekt geschliffener Teleskopspiegel.

Da man nicht einmal auf den hohen Bergen der chilenischen Atacama-Wüste vor diesem Phänomen sicher ist, bekämpfen die Astronomen es schon seit etwa 20 Jahren mit einer Technik, die adaptive Optik genannt wird. Dabei kommen deformierbare Teleskopspiegel zum Einsatz sowie ein Laser, der in 90 Kilometer Höhe das Natrium in der Atmosphäre zum Leuchten bringt und so einen künstlichen Leitstern für die adaptive Optik bildet. Ein Detektor misst die Deformation der Lichtwelle, die vom Leitstern kommt, und aus diesen Daten wird berechnet, wie man die Spiegel verformen muss, um die Verzerrung des Bildes wieder auszugleichen.

Diese Berechnung muss dabei äußerst schnell sein, denn die Atmosphäre verändert sich etwa 1000-mal pro Sekunde, und etwa ebenso oft muss der Computer die Deformation berechnen und an den Spiegel weitergeben.

Hier kommt nun die Linzer Arbeitsgruppe ins Spiel, der es gelungen ist, die Methode durch neue mathematische Algorithmen drastisch zu beschleunigen. Im Jahr 2009 hatte das Team um Ronny Ramlau, Professor an der Kepler-Universität Linz, den Auftrag von der Europäischen Südsternwarte Eso erhalten, das Verfahren zu verbessern, damit es auch auf den großen Teleskopen der Zukunft angewendet werden kann.

Bei der Entwicklung des European Extremely Large Telescope (E-ELT) waren die Forscher nämlich vor einem Problem gestanden. Mit dem größer werdenden Spiegeldurchmesser und der damit einhergehenden Anzahl der Aktuatoren, die den Spiegel deformieren, war auch die benötigte Rechenzeit drastisch angestiegen.

Zudem soll am E-ELT nicht nur ein Laser-Leitstern zum Einsatz kommen, sondern mindestens vier. Und für die direkte Abbildung von Exoplaneten, die mit dem neuen Riesenteleskop möglich sein soll, gab es auch noch ganz besondere Anforderungen: Nicht nur 1000-mal, sondern 3000-mal pro Sekunde muss dabei der Spiegel neu eingestellt werden.

Mit den bisher verwendeten Algorithmen war das schlicht jenseits des Machbaren, da mit einer sehr großen Matrix gerechnet werden musste. "Wir haben einen cleveren Weg gefunden, um aus den Daten die Deformation direkter und mit weniger und viel einfacheren Rechenoperationen zu bestimmen", sagt Ronny Ramlau, Leiter des Austrian Adaptive Optics Team. Bei der Entwicklung waren drei verschiedene Institutionen beteiligt: das Institute for Industrial Mathematics der Universität Linz, das Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics (Ricam) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und das Industrial Mathematics Competence Center (IMCC).

Übertroffene Erwartungen

Wie sich jetzt zeigte, hat der von ihnen entwickelte Algorithmus die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen. Er ist bis zu 1000-mal schneller als die bisherigen. "Die Eso ging davon aus, dass man spezielle Hardware, also Großrechner, für die adaptive Optik würde kaufen müssen. Wir haben aber gezeigt, dass es mit unserer Software sogar mit normaler handelsüblicher Hardware geht", erklärt Ramlau.

Die neu entwickelte Software stellt einen Teil der österreichischen Beitrittsgebühr zur Eso dar, die zu 75 Prozent mit Geld und zu 25 Prozent in Form von Waren und Dienstleistungen bezahlt wird. Nach etwa vier Jahren Entwicklungsarbeit ist die Software nun fertig und an die Eso übergeben worden.

Bis zu einer tatsächlichen Anwendung der Algorithmen auf den Instrumenten des E-ELT ist es noch ein langer Weg, denn nach derzeitigem Informationsstand soll das Riesenteleskop erst im Jahr 2022 in Betrieb gehen, und die Instrumente wollen erst entwickelt werden. Auch dabei werden die Linzer Forscher wieder miteinbezogen sein. Die Fortsetzung des Projekts ist bereits angelaufen.

Vielleicht muss ihr neuer Algorithmus aber gar nicht erst auf das E-ELT warten, um verwendet zu werden. Es wird in Erwägung gezogen, die neue Software vorher am schon bestehenden Very Large Telescope (VLT) zu testen. Bewährt sie sich dort, kann es sein, dass sie gleich in Verwendung bleibt, um auch am VLT schon für schärfere Bilder zu sorgen. (Elisabeth Guggenberger, DER STANDARD, 5.3.2014)