In einer dünnen Strontium-Titanoxid-Schicht bewegen sich Elektronen in zwei Dimensionen. Das eröffnet neue Möglichkeiten.

Foto: TU Wien

Bauteile für die Mikroelektronik werden im Normalfall aus Silizium oder ähnlichen Halbleitern hergestellt. Seit einiger Zeit wird als möglicher Ersatz intensiv an den elektronischen Eigenschaften von sogenannten Metalloxiden geforscht. Diese Verbindungen sind zwar komplizierter, doch dadurch hat man auch mehr Möglichkeiten, ihre Eigenschaften nach Wunsch anzupassen.

Forschern der TU Wien um Ulrike Diebold und Karsten Held gelang nun ein wichtiger Durchbruch bei einem solchen Metalloxid: Die Forscher schafften es, in Strontium-Titanoxid ein stabiles zweidimensionales Elektronengas herzustellen.

Das Besondere daran: In einer Ebene knapp unterhalb der Oberfläche können sich die Elektronen frei bewegen und dabei unterschiedliche Quantenzustände einnehmen. Dadurch bietet sich das Material nicht nur als mögliche Alternative zu gewöhnlichen Halbleitern an, zusätzlich sollen sich auch noch weitere exotische Effekte erzielen lassen, die in gewöhnlichen Halbleitermaterialien nicht vorkommen.

Theorie kooperiert mit Praxis

Bei der im Fachblatt "PNAS" publizierten Studie gingen theoretische Berechnungen und experimentelle Arbeiten Hand in Hand: Zhiming Wang aus dem Team von Ulrike Diebold (Institut für Angewandte Physik) führte die experimentellen Messungen durch, zum Teil auch am Synchrotron des Bessy in Berlin. Zhicheng Zhong aus der Forschungsgruppe von Karsten Held (Institut für Festkörperphysik) untersuchte das Material in Computersimulationen.

Die Atome von Strontium-Titanoxid sind nicht überall genau gleich angeordnet: Wenn man einen Kristall dieses Materials in der richtigen Richtung schneidet, dann ordnen sich die Atome an der Oberfläche anders an als die Atome im Inneren des Materials. "Während im Inneren jedes Titanatom sechs Sauerstoffatome als Nachbarn hat, ist an der Oberfläche jedes Titanatom nur mit vier Sauerstoffatomen verbunden", erklärt Ulrike Diebold. Genau dadurch bleibt die Oberfläche stabil und wird nicht, wie andere vergleichbare Materialien, durch den Kontakt mit Wasser oder Sauerstoff zerstört.

Erstaunliches geschieht jedoch, wenn man das Material kurzwelliger, energiereicher Strahlung aussetzt, so Diebold: "Durch die Strahlung können Sauerstoffatome aus der Oberfläche herausgelöst werden." Wenn das geschieht, kommen allerdings Sauerstoffatome aus dem Inneren des Materials nach und wandern an die Oberfläche. Dadurch entsteht dann im Inneren, ganz knapp unter der Oberfläche, ein Mangel an Sauerstoffatomen und ein Überschuss an Elektronen.

Von einem Elektronengas spreche man deshalb, weil diese Elektronen sich innerhalb einer zweidimensionalen Schicht knapp unterhalb der Oberfläche recht frei bewegen können, erklärt Karsten Held. Hinweise auf zweidimensionale Elektronengase in ähnlichen Materialien gab es bereits - doch seine Herstellung war noch nie gelungen.

Bemerkenswert ist auch, dass sich die Eigenschaften diese Elektronen sehr fein justieren lassen: Je nachdem wie intensiv man das Material bestrahlt, lässt sich die Anzahl der Elektronen variieren. Auch durch den Einbau anderer Atomsorten kann man die elektronischen Eigenschaften anpassen.

Höchst spezielle Effekte

"Wichtig in der Festkörperphysik ist die sogenannte Bandstruktur des Materials", sagt Held, "also der Zusammenhang zwischen der Energie und dem Impuls der Elektronen." Das erstaunliche an der untersuchten Oberfläche sei, dass sich hier die Bandstruktur von Quantenniveau zu Quantenniveau vollkommen ändere.

Im Elektronengas des neuen Materials lässt sich eine Vielfalt verschiedener elektronischer Strukturen finden, darunter auch solche, die ganz spezielle magnetische Effekte oder Supraleitung möglich erscheinen lassen. Diese vielversprechenden Eigenschaften von Strontium-Titanoxid sollen nun in weiteren Projekten untersucht werden. (red, DER STANDARD, 5.3.2014)