Andrä Rupprechter ist ein mutiger Mann, der Überzeugungen hat und auch dazu steht. Das ist - gerade in der Politik - alles andere als selbstverständlich. Beispiele von verbogenen und angepassten Menschen, die jeden Tag eine andere Meinung und am Ende gar keine eigene Meinung mehr haben, gibt es viel zu viele. Wir begegnen ihnen täglich. Rupprechter, ein Tiroler Bauernbündler aus der ÖVP, ist dafür, dass auch gleichgeschlechtliche Partner Kinder adoptieren dürfen.

Diese Einstellung des Agrarministers war doch etwas überraschend, immerhin legte Rupprechter seinen Angelobungsschwur auf "das Herz Jesu Christi" ab, da vermutete man einen erzkonservativen Geist dahinter. "Man soll mit dem Schubladisieren aufpassen", sagt er jetzt. Seine Einstellung, die man weitläufig als liberal bezeichnen würde, habe weniger mit Toleranz zu tun als mit Akzeptanz, erst recht mit einem christlichen Hintergrund. Ja, das sei seine Meinung - privat wie politisch. Im Regelfall - auch bei einem halbwegs anständigen Politiker - lässt sich das nicht trennen.

Dass die ÖVP eine ganz andere Linie vertritt, das weiß Rupprechter, das nimmt er auch zur Kenntnis. Aber er sagt: "In meinem familiären und persönlichen Umfeld gibt es nicht wenige homosexuelle Menschen, die ich kenne und sehr lieb habe. Ich bin nicht bereit, diese außen vor zu lassen oder auszugrenzen." Dass er das sagt und wie er das sagt, das macht ihn sympathisch. Dem ist Respekt zu zollen.

Die SPÖ tut das nicht. Eher andersrum: Die SPÖ versucht, damit politisches Kleingeld zu machen. Ihr geht es nicht um die Sache, sie versucht nicht, die Diskussion voranzubringen, sie versucht nur Kapital daraus zu schlagen - Rupprechter jetzt in Geiselhaft zu nehmen, ihn ideologisch vereinnahmen zu wollen und gegen die ÖVP auszuspielen. Das schadet ihm, das schadet vielleicht auch der ÖVP, in keinem Fall aber hilft es der Sache.

Wenn Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek jetzt eine Allianz mit Rupprechter schmieden will, um einen gesetzlichen Vorstoß für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen herbeizuführen, dann muss sie wissen, dass sie beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft an der falschen Adresse ist. Das ist bloß eine billige politische Pointe.

Von der SPÖ hätte man sich in dieser Frage mehr Ernsthaftigkeit erwartet. Die Frage eines Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare, die sogenannte "Fremdkindadoption", wie das in der Fachsprache so grauslich heißt, ist auch in sozialdemokratischen Kreisen noch nicht ganz ausdiskutiert, und mit Sicherheit ist es nicht die Mehrheitsmeinung, das jetzt gesetzlich so zuzulassen. Da ist noch viel Diskussion und Aufklärung notwendig. Auch dem Kanzler und SPÖ-Chef ist ja kein eindeutiges und klares Statement zu entlocken; der schielt in dieser Frage mit unsicherem Blick auf den Boulevard.

So wie die SPÖ das jetzt angeht, wird sie beim Koalitionspartner mit Sicherheit kein Umdenken auslösen, eher das Gegenteil wird der Fall sein. Aber vielleicht ist genau das die Absicht: die Angelegenheit auf die lange Bank zu schieben, um ideologische Bahnen zu befestigen und Feindbilder zu pflegen.

Den Betroffenen hilft das gar nicht, denn in der Sache wird sich nichts ändern. Und das ist letztlich so schäbig wie das Verhalten der ÖVP, die erst gar nicht darüber reden mag. (Michael Völker, DER STANDARD, 4.3.2014)