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Nach wie vor ein begehrtes Stück: Der Eames Lounge-Chair.

Foto: AP/NICK MERRICK

"Bitte Klodeckel zumachen - wegen Feng-Shui". Kein Örtchen war vor 15 Jahren sicher vor der fernöstlichen Harmonie- und Raumlehre. Nicht einmal das WC eines zwielichtigen Außenbezirkswirtshauses. Doch auch Feng-Shui schaffte es letztendlich nicht wirklich über einen Trend hinaus.

Zur Welt kommen Trends unter anderem auf Möbelmessen wie jener in Mailand oder Köln, von wo aus sie es in die Interieur-Magazine und dann in so manche Wohnung schaffen. Dabei verrichten die Möbel, die im Vorjahr auf den Messen präsentiert wurden, ja selbst die von vor drei, fünf oder vielleicht sogar 30 Jahren ihren Dienst mehr als tadellos.

Menschen langweilen sich schneller als früher

Ein neues Hemd ist kein neues Sofa. Das weiß auch Nils Hoger Moormann, die Nummer eins des beherzten Möbelhandels in Deutschland, der es vor einigen Jahren wagte, in Mailand dieselbe Kollektion wie im Jahr zuvor zu präsentieren. "Wieso denn nicht, die sind doch noch gut", lautete sein Kommentar.

Roberto Minotti, genau, der von den Möbelgeschäften, an deren Schaufenstern schon so manche Nase platt wurde, antwortete auf die Frage, was man mit einem noch intakten Sofa machen soll, wenn man sich trotzdem ein Neues kaufen will: "Vielleicht haben Sie ja eine Ferienwohnung oder einen Onkel, der sich darüber freuen würde". Bestimmt.

Warum die Zeiten, in denen man eine Wohnzimmereinrichtung mitunter ein Leben lang behielt, längst vorbei sind, begründet der Italiener folgendermaßen: "Menschen langweilen sich schneller als früher, wollen mehr Abwechslung. Das gilt fürs Essen, für Kleidung, für Unterhaltung, sogar für Ehepartner." Traurig, aber schon auch wahr. Und trotzdem: Möbeldesign ist und bleibt kein Modedesign, auch wenn viele Produzenten und Designer das gerne anders sehen würden und sich diesbezüglich des Werkzeugs Trend bedienen. Je mehr Trends, desto besser.

Feuerstelle und Wellnessoase

Die vergangenen 15 Jahre waren voll davon, mal gab's mehr Neues, mal weniger, mal mussten auf Sesseln, Schränken und Regalen Blumen aller Art sprießen, dann kam das organische Design, und so manche Einrichtungsobjekte sahen aus wie Schneckenhäuser, von Flüssen geformte Steine oder urzeitliches Riesengewürm. Mal hieß es "cocooning", dann wieder "homing", es läuft alles auf dasselbe hinaus, nämlich aufs Nach-Hause-Gehen. Und Stuhl, Tisch sowie Bett braucht ein jeder.

Küchen entwickelten sich mehr und mehr in Richtung ihrer Urzeitfunktion zurück, nämlich zum Ort der Kommunikation rund um die Feuerstelle, auch wenn Gemütlichkeit angesichts so mancher stahlgebürsteter oder betonierter Oberflächen eher nebensächlich erscheint. Egal: Wo beginnt die Party? In der Küche. Wo endet die Party? In der Küche. Badezimmer, früher noch Nasszellen zur Körperhygiene, sollen heutzutage im Idealfall zu Wellnessoasen werden, auch wenn dafür vielleicht ein paar Mauern niedergerissen werden müssen.

Ganz groß und noch immer da ist die Nachfrage nach Retro- und auch Vintagedesign. Auch Shabby Chic boomt noch immer vor sich hin, also neue Möbel, die man künstlich auf abgefuckt trimmt. Man lässt Objekten keine Möglichkeit, selbst durch Raum und Zeit zu gehen.

Klar gibt es wundervolle alte Stücke von Breuer über Kjaerholm, Alto, Panton bis hin zu dem Ehepaar Eames. Alles schön und gut, aber auch diesbezüglich werden zu Recht immer mehr Stimmen laut, die dies hinterfragen. Kaschiert der eine oder andere Zeitgenossen damit vielleicht eine Geschmacksunsicherheit und will einfach nur auf Nummer sicher gehen?

Stilmix und Funktionsmix

Das Gute an den Trends ist, dass sie sich mittlerweile zumindest in Einrichtungsfragen ein Stück weit selbst überlisten und immer mehr nebeneinander bestehen und sich im besten Fall ergänzen. Das heißt, stärker und stärker setzt sich der Mix von Dingen durch. Geerbtes trifft auf Fabrikneues, Schnäppchen auf Schmuckstück, Liebgewonnenes auf Gedultetes oder gar Selbstgebautes. Nennen wir es eine Art verzweigte, gewachsene Zufälligkeit, aus der eine individuell stimmige Atmosphäre entsteht.

Zum Stilmix gesellt sich in der Folge der Funktionsmix, und so wird aus dem Mix ein Turbomix, denn in der Küche sind andere Funktionen und somit Objekte von Bedeutung als im Badezimmer oder im Schlafgemach.

Harte Zeiten für Puristen also, gemischt wird, was das Zeug hält: Epochen, Farben, Stile, Materialien. Mögen die Zeiten so bleiben, denn was anderes ist Wohnen als in gewisser Weise auch ein Abbild des Lebens? Dinge kommen, Dinge gehen, manche will man nicht mehr hergeben, andere wird man nicht mehr los. Oder wie der Stardesigner Marc Newson auf die Frage nach wirklich gutem Design sagte: "Gutes Design ist etwas, ein Objekt, das man einfach nie mehr hergeben will." Also auch nach 15 Jahren nicht. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 7.3.2014)