Marburg - "Diabetes Typ 2 und Depressionen stehen in einer Wechselwirkung zueinander, die dazu führt, dass sich bei fehlender Behandlung beide Erkrankungen im Krankheitsverlauf gegenseitig negativ beeinflussen oder sogar eine Erkrankung die andere bedingt", sagt Johannes Kruse, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie an der Universität Marburg. 

Dem Wissenschaftler zufolge leiden Menschen mit Diabetes Typ 2 häufig unter den psychischen Belastungen, die sich aus der Behandlung und den Folgekrankheiten des hohen Blutzuckers ergeben. "Aber auch eine fehlende Verarbeitung der Erkrankung wirkt sich negativ aus", so Kruse. Diabeteserkrankte mit Depressionen führen seiner Erfahrung nach häufig die lebensnotwendigen Blutzuckertests nicht durch und nehmen ihre Medikamente nicht konsequent ein.

Auf der anderen Seite vernachlässigten viele Menschen mit Depressionen ihre Gesundheit: "Ihnen fällt es krankheitsbedingt besonders schwer, einen Lebensstil zu pflegen, der dem Typ-2-Diabetes entgegenwirkt" erläutert der Psychosomatiker. Dazu gehören vor allem regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und Normalgewicht. Einen möglichen Grund dafür, dass Typ-2-Diabetes durch eine Depression ausgelöst wird, sieht Kruse auch im direkten Einfluss der Depression auf den Stoffwechsel: "Über eine vermehrte Ausschüttung von Cortison in der Nebennierenrinde könne der chronische Lebensstress beispielsweise den Blutzucker erhöhen", erläutert der Facharzt.

Erhöhtes Sterberisiko

In einer Meta-Analyse von 16 Studien, die der Forscher gemeinsam mit seinem Team kürzlich in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht hat, zeigt er eine weitere Problematik auf: "Wir konnten durch die Analyse von mehr als 100.000 Teilnehmer zeigen, dass nicht nur Diabetiker mit einer ärztlich diagnostizierten Depression ein erhöhtes Sterberisiko haben. Der Zusammenhang war auch für Patienten eindeutig nachweisbar, die in den Studien angegeben hatten, unter depressiven Verstimmungen zu leiden", so der Mediziner.

Der Psychosomatiker fordert nun seine ärztlichen Kollegen auf, frühzeitig auf depressive Symptome ihrer Patienten zu achten, entsprechende Hinweise sehr ernst zu nehmen und die Krankheit angemessen zu behandeln. "Eine psychosomatische Betreuung kann die negativen Auswirkungen einer Depression auf den Blutzuckerstoffwechsel mildern", ist Kruse überzeugt. Sie erhöhe aber auch die Bereitschaft der Patienten, sich mit ihrer Krankheit auseinander zu setzen und das schwierige Krankheitsmanagement zu meistern. (red, derStandard.at, 5.3.2014)