Was es zu mit Blutverdünnung zu vermeiden gilt: Verklumpung in Blutgefäßen.

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Vorhofflimmern, Herzinfarkt, Schlaganfall und Thrombosen: Aus Patientensicht sind es vollkommen unterschiedliche Krankheitsbilder, medizinisch betrachtet sind diese aber mit derselben Strategie zu behandeln.

Wenn in den Blutgefäßen des Körpers, Blutbestandteile Propfen bilden und den Blutfluss beeinträchtigen, ist Blutverdünnung eine lebensrettende Maßnahme. Neben den altbewährten Therapien der sogenannten Vitamin-K-Antagonisten (Marcumar, Sintrom) haben sich in den letzten zwei Jahren die sogenannte Neuen Oralen Antikoagulantien (NOAK) etabliert. Auch sie verdünnen das Blut, beruhen aber auf einem anderen Wirkmechanismus im Körper. "Es gab Umbrüche in dieser Medikamentenklasse, die Ärzte an der Front haben neue Möglichkeiten", betont Ernst Singer, medizinischer Vorsitzender der Expertengruppe "Arznei und Vernunft".

Was für wen

Diese aus Ärzte- und Apothekerkammer, dem Hauptverband der Sozialversicherungen und der Pharmig, Interessensvertretung der pharmazeutischen Industrie, bestehende Initiative hat eben gemeinsam Leitlinien erarbeitet und vorgestellt. "Wir haben hohes Interesse daran, dass die Wirkweise von neuen Arzneimitteln auf hohem wissenschaftlichen Niveau evaluiert und Patienten dementsprechend zur Verfügung gestellt werden“, sagt Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber.

"Nicht jede Innovation muss eine Verbesserung für den Patienten bringen", betont Hans-Jörg Schelling, Vorsitzender im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Würden alle Patienten NOAK zur Blutverflüssigung bekommen, würde das die Kosten um das Vierfache in die Höhe treiben.

Sich auskennen

Die neu formulierten Leitlinien sollen Ärzten Orientierung bei der Wahl des richtigen Blutverdünners bringen. Allgemeinzustand und Lebensumstände von Patienten sind dabei wichtige Kriterien. Auf der Website von "Arznei und Vernunft" sind diese Leitlinien ab sofort online abrufbar.

Was Schelling noch anmerkt: "Wir haben ein hohes Wissensdefizit in der Bevölkerung." Hier springen  die Apotheker in die Bresche, die im Rahmen der Initiative "Arznei und Vernunft" allgemein verständliche Patientenbroschüren sowohl zu Vitamin-K-Antagonisten als auch zu den neuen Medikamenten aus der NOAK-Gruppe (Pradaxa, Xarelto, Eliquis) in den Apotheken auflegen werden.

"Entscheidend ist, dass Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ihre Blutverdünnungstherapie einhalten und Selbstverantwortung übernehmen", betont Apothekerkammer-Präsident Max Wellan. Therapieabbruch, unsachgemäße Medikamenteneinnahme und Wechselwirkungen mit anderen Tabletten verursachen die größten Probleme - auch im System.

Selbst entscheiden

Eine große Herausforderung für das System ist es deshalb, weil in einer immer älter werdenden Gesellschaft die Erkrankungen automatisch ansteigen und die Behandlung zunehmend auf Chronifizierung nicht auf Heilung abzielen kann - und schon bald 80 Prozent der Kosten verursachen. "Mit neuen Medikamenten werden auch Kosten vermieden, etwa solche die nach Schlaganfällen entstehen", hält Huber entgegen.

"Eine weitere Indikation für die neuen Antikoagulantien sind Thromboseprophylaxen nach Hüft- oder Knieoperationen", ergänzt Singer. Eine Vernetzung zwischen Spital und niedergelassenen Ärzten  soll auch für Patienten einen klaren Plan bringen. NOAK sind als Tabletten einzunehmen, Heparin als Blutverdünner muss injiziert werden.

Pro und Contra

Das Schlüsselwort für die Zukunft ist bei der Blutverdünnung demnach informierte Entscheidung. NOAK sind Chefarzt-pflichtig, müssen aber bei der Einnahme weniger häufig kontrolliert werden als Vitamin-K-Antagonisten. Diese wiederum sind seit Jahrzehnten im Einsatz, man hat viel Erfahrung und die Medikamente haben sich als sehr sicher bewährt.

NOAKs müssen sich in der Praxis langfristig erst bewähren. Patienten, die Vor- und Nachteile abwägen, haben die besten Voraussetzungen, trotz Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein weitgehend unbeeinträchtigtes, selbstbestimmtes und autonomes Leben zu führen. In einer immer ältere werdenden Gesellschaft ist das eine notwendige Strategie. (Karin Pollack, derStandard.at, 5.3.2014)