Österreich im Jahr 2014. So wie vor 20, 30 oder 40 Jahren wird die Arbeitskraft der Frauen, zumindest finanziell betrachtet, im Vergleich zu jener der Männer gering geschätzt. Laut Eurostat verdienten Männer im Jahr 2012 in der Privatwirtschaft um 23,4 Prozent mehr als Frauen. EU-weit liegt Österreich damit an vorletzter Stelle.

Man kann den Sozialpartnern nicht vorwerfen, dass sie für dieses Problem kein Bewusstsein hätten. In regelmäßigen Abständen beklagen Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer die "Einkommensschere". Trotzdem stellt sich die Frage: Warum steht ausgerechnet ein Land, in dem die Sozialpartner so mächtig sind, im Europavergleich derart schlecht da?

Es fehlt nicht an Analysen. An den Frauen hängt nach wie vor die Hauptlast der Kinderbetreuung. Frauen stecken verstärkt in Teilzeitarbeitsverhältnissen. Frauen finden häufig Jobs in schlechter bezahlten Berufen. Oder auch umgekehrt: Dort, wo hauptsächlich Frauen arbeiten, gibt es weniger Geld.

Auf einen nicht irrelevanten Punkt wird allerdings allzu gerne vergessen: Auch die Sozialpartner haben diese Ungleichheit ein Stück weit mitgetragen. In der Vergangenheit haben sie die Interessen der arbeitenden Männer stärker wahrgenommen als jene der Frauen. Was als schwere Arbeit zählt und wofür es hohe Zulagen gibt, haben einst männliche Verhandler festgelegt. Und das wirkt bis heute nach. Die Arbeit am Hochofen wird gemeinhin besser bezahlt als die Arbeit im Kindergarten.

Dass etwa Karenzzeiten zumindest teilweise als gehaltserhöhende Dienstzeiten in Kollektivverträgen festgeschrieben werden, setzt sich erst nach und nach durch.

Weder der ÖGB noch die Wirtschaftskammer hatten in ihrer Geschichte jemals eine Präsidentin. Einzig in der Arbeiterkammer war mit Lore Hostasch in den Jahren 1994 bis 1997 eine Frau an der Spitze. Immerhin der Wiener und der niederösterreichischen Wirtschaftskammer stehen derzeit Frauen vor. Im Großen und Ganzen haben aber noch die Herren das Sagen. Doch gerade Organisationen, die von ihrer gesellschaftlichen Legitimität leben müssen, müssen ihre eigene Politik hinterfragen. Es ist höchte Zeit, dass Hostasch eine Nachfolgerin bekommt.

Auch wenn eine Frau an der Spitze noch kein Garant für engagierte Frauenpolitik ist, ist sie zumindest eine Chance. Schon alleine deshalb, weil es angesichts des eigenen Männerüberhangs die Unternehmern höchstens ein mildes Lächeln kostet, wenn die Arbeiterkammer wieder einmal Geschlechterquoten in den Aufsichtsräten fordert - und selbst weit davon entfernt ist, diesem Vorschlag gerecht zu werden. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 5.3.2014)