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Der türkische Premier Tayyip Erdogan bei einer Wahlkampfveranstaltung in Kirikkale.

Foto: REUTERS/Umit Bektas

Tayyip Erdogan will die Politik verlassen, wenn seine Partei bei den Kommunalwahlen am 30. März nicht auf dem ersten Platz landet. Das erklärte der türkische Premier am Mittwoch in einer Rede vor Lokaljournalisten in Ankara. An einem Sieg der konservativ-muslimischen AKP zweifelt der seit 2003 regierende Erdogan aber keinesfalls. Und die Ankündigung vom Rückzug aus der Politik gehört zu seinen Standardsätzen vor jeder Wahl. Dieses Mal jedoch steht Erdogan wegen der sich täglich auswachsenden Korruptionsaffäre und anderer politisch kompromittierender Enthüllungen wie nie zuvor unter Druck.

Einflussnahme auf die Justiz

Jüngstes Beispiel: die Montagabend auf Youtube veröffentlichten Gesprächsmitschnitte zwischen Erdogan und seinem früheren Justizminister Sadullah Ergin. Der Premier beredet in den Telefonaten vom Oktober und Dezember 2012 das Vorgehen in einem Finanzstrafverfahren gegen den Medienzaren Aydin Dogan, einen mächtigen politischen Gegner. Erdogan fordert darin seinen Justizminister zunächst auf, das Verfahren genau zu verfolgen - "das sollte nicht vernachlässigt werden". Ergin versteht die Anweisung seines Premiers: Einflussnahme auf den Richter. "Wir werden sicherstellen, dass er umsichtig handelt", verspricht der Justizminister.

Als das Gericht zunächst zugunsten Dogans entschied, zeigte sich Erdogan verwundert. Der Richter sei Alevit, gab Ergin als mögliche Erklärung für das Urteil an – was nun auch die 20-Prozent-Minderheit unter den Muslimen in der Türkei aufbringt. Ergin kandidiert auf Wunsch von Erdogan für das Amt des Bürgermeisters in Antakya, der Hauptstadt einer Grenzprovinz zu Syrien mit einer alawitischen Mehrheit; zwischen arabischen Alawiten und türkischen Aleviten wird in der Türkei in der Regel wenig Unterschied gemacht.

Dogan, der vor allem mit seinem Massenblatt "Hürriyet" die AKP-Regierung in früheren Jahren immer wieder angegriffen hatte, war in einem anderen Verfahren 2009 bereits zu einer Rekordsteuerstrafe von mehr als einer Milliarde Euro verurteilt worden. Die Strafe wurde im Oktober 2012 auf rund 460 Millionen Euro verringert. Dogan verkaufte dafür seine Tageszeitung "Milliyet" und den Sender Show TV.

Erdogan räumte am Mittwoch die Authentizität der Gespräche ein, fand daran aber nichts Schlimmes: Es gebe nichts Natürlicheres, als einem Justizminister zu sagen, dass er ein Verfahren genau verfolgen solle, erklärte der Premier. "Politik der null Probleme" war eigentlich eine Idee von Außenminister Ahmet Davutoglu. (Markus Bernath, derStandard.at, 5.3.2014)