Lunacek fordert, die Bewusstseinsbildung unter Männern voranzutreiben.

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Wien - Nach Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek äußert sich nun auch Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin der Grünen und Mitglied des Frauenausschusses im Europaparlament, zur von der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) veröffentlichten Studie zu Gewalt an Frauen. Die Ergebnisse seien vor allem "ein Alarmsignal an die Politik", sagte sie bei der Präsentation der Studie im Haus der Europäischen Union am Donnerstag. "Die Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsstaaten sind massiv. Umso mehr ist die EU-Kommission gefordert, die Verantwortung nicht weiterhin an die Mitgliedsstaaten zu delegieren, sondern einen europäischen Gesetzesvorschlag auf den Weg zu bringen, der Prävention sowie Bekämpfung von Gewalt an Frauen ins Zentrum stellt."

Allianz von Männern

Um die Bewusstseinsbildung unter Männern voranzutreiben, fordert Lunacek Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger auf, "bis zu den Aktionstagen gegen Gewalt gegen Frauen im November eine breite Allianz von Männern in der österreichischen Regierung als auch unter den EU-Staats- und Regierungschefs zu initiieren, um als Männer gegen Gewalt von Männern an Frauen aufzutreten - und sich so der White Ribbon-Kampagne anzuschließen".

Lunacek weiter: "Vor 35 Jahren war ich beim Aufbau des Frauenhauses in Innsbruck aktiv beteiligt. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass sich mehr als drei Jahrzehnte später immer noch jede dritte Frau in der EU und jede fünfte Frau in Österreich körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt sieht, hätte ich das nicht glauben wollen. Umso mehr ist es jetzt geboten, dass die "Istanbul Konvention" des Europarates gegen Gewalt an Frauen so schnell wie möglich von weiteren sieben Staaten ratifiziert wird, damit sie endlich in Kraft treten kann. Auch die EU sollte der Konvention beitreten."

Jahr gegen Gewalt

Daneben unterstützt sie die Idee, innerhalb der nächsten drei Jahre ein europaweites "Jahr gegen Gewalt an Frauen" auszurufen, wie dies im vergangene Woche im Europäischen Parlament beschlossenen Bericht gegen Gewalt gegen Frauen gefordert wird. Ein besonderes Anliegen sei ihr auch, die schwächsten Gruppierungen unter Frauen zu schützen. "Da denke ich vor allem an Migrantinnen, die aus Angst, ihren Aufenthaltstitel zu verlieren, an ihre gewalttätigen Ehemänner gefesselt sind. Hier gehört schnellstens ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für diese Frauen in allen EU-Mitgliedsstaaten eingeführt. In Österreich sind in dieser Frage in den letzten Jahren Schritte in die richtige Richtung gesetzt worden, doch nach wie vor ist dieser Gewaltkerker für Migrantinnen noch immer nicht völlig aufgesperrt."

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hatte bereits am Mittwoch auf das heimische Gewaltschutzgesetz verwiesen. Österreich sei damit Vorbild für viele Staaten, sagte die Ministerin. Das Frauenministerium arbeite außerdem an einem Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen.

Hilfe per App

Die Studienerkenntnisse bezeichnete Heinisch-Hosek als "alarmierend". Neben strengen Gesetzen seien Information und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen zentral. Die Frauenhelpline gegen Männergewalt sei 24 Stunden, 365 Tage im Jahr unter der Nummer 0800 222 555 kostenlos erreichbar, so der Hinweis der Ministerin. Gerade für junge Frauen gebe es auch die fem:HELP-App, die unter www.bmbf.gv.at heruntergeladen werden kann. Diese sei ein weiteres Hilfsinstrument, um sich in Gewaltbeziehungen zu informieren und aus der Situation befreien zu können.

Mit dem Nationalen Aktionsplan sollen zudem Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ausgearbeitet und umgesetzt werden, hieß es in der Aussendung. Die Fertigstellung sei bis Sommer geplant, damit die Umsetzung im Herbst starten könne.

In den eigenen vier Wänden

SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Andrea Brunner warnte anlässlich der Studie, dass Gewalt "in allen Schichten und Altersgruppen" vorkomme. "Es gibt ein gutes Netz an Gewaltschutzeinrichtungen in Österreich, wir wollen Frauen Mut machen, sich an Hilfseinrichtungen zu wenden", sagte sie. "Über Gewalt zu sprechen fällt sehr schwer." Sich mitzuteilen könne aber der erste Schritt sein, um aus einer Gewaltbeziehung auszubrechen.

Der FPÖ-Abgeordnete Philipp Schrangl sprach ebenfalls in einer Aussendung von einem "erschreckenden Bild". Jegliche Form von Gewalt gegen Schwächere sei grundsätzlich und strikt abzulehnen. Besonders beunruhigend sei, dass die meisten Vorfälle innerhalb der eigenen vier Wände und innerhalb der Partnerschaften stattfinden und nicht zur Anzeige gebracht würden, so Schrangl. Irritierend sei auch, dass es in vielen EU-Mitgliedstaaten immer noch einen Mangel an umfassenden, vergleichbaren und verlässlichen Daten über Umfang und Beschaffenheit dieses Problems gebe. (APA, 6.3.2014)