Wien - "Wenn der Traktor durchs Pflanzenöl kaputtgeht, dann sind wir geschieden", habe seine Frau gesagt. So beschreibt Landwirt Wolfgang Löser den Druck, der auf ihm lastete, als er die Landmaschinen von Dieseltreibstoff auf Sonnenblumenöl umstellte, das er in eigenem Anbau produziert. Statt ein Drittel seiner Einkünfte für Diesel auszugeben, fließen nun zehn Prozent seines Anbaugutes in den Traktortank. Der Weinviertler Bauer ist stolz darauf, die erste energieautarke Landwirtschaft Österreichs zu führen.
Auf Lösers Bauernhof fällt eines der Schlaglichter der Filmreportage Macht Energie, die am Freitag in den Kinos anläuft. Regisseur Hubert Canaval führt gemeinsam mit Co-Autorin Corinna Milborn in dem eineinhalbstündigen Hintergrundbericht an Orte, die repräsentativ für die Umbrüche stehen, in denen sich die Entwicklung der Energieversorgung derzeit befindet. Produzent Helmut Grasser stand bereits hinter kritischen Dokus wie We feed the World und More than Honey.
Verschmutzer Brunnen, strahlende Deponie
In Macht Energie erzählt eine Leidtragende eines Fracking-Abbaugebiets in Kanada, dass sie jetzt, da das Wasser ihres Brunnens ungenießbar geworden ist, Wasser mit dem - benzinfressenden - Auto heranholen muss. Ein Gasprom-Manager erklärt zur anstehenden Expansion des Abbaus in der Arktis, dass wir "die Entwicklung der Zivilisation nicht aufhalten" könnten. Ein früherer Strahlenschutztechniker kämpft für die Sanierung einer Atommülldeponie in Frankreich: "Ich weiß, was ich da gelagert habe." Und ein Besuch bei einer recht peinlichen OMV-Aufklärungsveranstaltung zum Thema Fracking im Weinviertel illustriert den österreichischen Konzernweg. Der Gasprom-Manager, der über Murphy's Law - "Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen" - lächelt, ist der einzige Vertreter eines Energiekonzerns, der interviewt werden konnte. Shell, ExxonMobil, auch die OMV haben abgelehnt, erklärt Milborn.
Beispiele, die erneuerbare Energieformen verführerisch erscheinen lassen. Aber auch hier werden die Nachteile betont. Die monumentalen Wasserkraftwerke etwa, welche die Flussläufe in Afrika oder Asien stauen, stoppen den Sedimenttransport und lassen ganze Küstenortschaften wegerodieren. Das organische Material in den tropischen Stauseen entlässt zudem große Mengen des Treibhausgases Methan.
Demokratisierte Stromproduktion
Was bleibt, ist die Idee einer Demokratisierung der Stromerzeugung. Die Filmdoku konterkariert die erfreulich unemotional und nüchtern gereihten Fakten zur strategischen Naturzerstörung und die Anklagen Betroffener mit Porträts umweltschutzorientierter Initiativen - von Fotovoltaikprojekten in Burkina Faso bis zu steirischer Biomasse. Das lässt erahnen, dass nicht zwischen konventionellen und erneuerbaren Energieformen der eigentliche Konflikt begraben ist, sondern zwischen Groß und Klein: zwischen den Interessen großer, sich gegenseitig stützender Machtstrukturen aus Politik und Industrie und einer umweltschutzorientierten Dezentralisierung der Energieversorgung durch individuelle, lokal angepasste Energiegewinnung. Die Idee ausgedehnter Solarfelder in der Sahara stützt nur den alten Gedanken, viele Verbraucher von zentralisierten Strukturen abhängig zu machen.
Kurt Woitischek von den Stadtwerken Murau in der Steiermark ist da schon weiter. Er spricht von der "Zockerei" am liberalisierten Strommarkt und arbeitet an der Energieautarkie seiner Region auf Basis von zig Kleinkraftwerken. Auch der Weinviertler Landwirt Löser ist überzeugt, dass nur der Wille fehlt: Er sagt: "Wir waren in einem Jahr energieautark, Österreich könnte es in fünf Jahren sein." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 06.03.2014)