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Die Burg ist in Schieflage geraten - budgetär, nicht künstlerisch. Wer trägt die Verantwortung dafür, und was sollen die Konsequenzen daraus sein?

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C. Kircher: Im Wachstum sind alle gern Eltern des Erfolgs.

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Die laufende Diskussion um die Misere des Burgtheaters geht an einer wesentlichen Fragestellung vorbei. Nicht weil die Situation - glaubt man den Berichten, soweit sie der Öffentlichkeit bekannt sind - zu beschönigen wäre, sondern weil strukturelle kulturpolitische Fragen in den Hintergrund rücken.

Ob die kaufmännische Leiterin, derer man sich nun entledigt hat, eine persönliche und insbesondere die alleinige Schuld trifft, wird sich erst zeigen. Kreative, aber unredliche Geschäftspraktiken sind in keinem Fall zu rechtfertigen. Die kaufmännische Leiterin war dafür bekannt, dass sie versucht hat, im Sinne der Sache Unmögliches möglich zu machen, und hat dabei drei Direktoren den Weg für deren Erfolg geebnet.

Die Strukturprobleme betreffen alle Kulturorganisationen, die mittlerweile vor zehn bis 15 Jahren im Zuge der Ausgliederungen mit soliden Geldmitteln und Freiheit ausgestattet auf den Weg in die neue Zeit geschickt wurden. In vielen Kultureinrichtungen wurde im Lauf dieser Jahre die Leistung deutlich gesteigert: mehr Premieren, mehr Flächen, mehr Eröffnungen, mehr Veranstaltungen. Diese Leistungssteigerung konnte in den ersten Jahren finanziert werden, indem höhere Leistungserlöse erzielt, Reserven aufgebraucht oder Verwaltungskosten reduziert wurden.

Die in Hochglanz gedruckten Jahresberichte der Museen und Theater geben beeindruckendes Zeugnis davon. Das freut Politiker und ermutigt die bestellten Intendanten und Direktoren zu noch mehr Leistung. Schließlich wurden sie bestellt, um ihre Kreativität in verwertbare Tatsachen umzusetzen. Aus teilweise verschlafenen Musentempeln wurden moderne Dienstleister. Alle sind zufrieden, alle sind glücklich: die Öffentlichkeit, die Politik, die Direktoren und auch die Mitarbeiter, die Anteil an dieser Entwicklung haben.

In dieser Wachstumsphase sind alle gern Eltern des Erfolgs. Der Erfolg hat süchtig gemacht. Wo Leistungssteigerungen möglich sind, muss noch mehr Leistungssteigerung möglich sein. Zum selben Preis. Budgets wurden nicht mehr valorisiert, weil sich ohnedies alles bestens entwickelt. Übersehen wurde dabei, dass sämtliche Betriebe nach wie vor zum großen Teil aus öffentlichen Subventionen finanziert werden müssen. Jeder zusätzliche Sitzplatz, jeder zusätzliche Quadratmeter Ausstellungsfläche, jede zusätzliche Premiere, jede zusätzliche Eröffnung wird mit Steuergeld gestützt. Mehr Vorstellungen erfordern mehr öffentliche Unterstützung.

Wenn dieses zusätzliche Geld nicht kommt und wenn's zwickt, wird der schwarze Peter weitergereicht und anstelle von grundsätzlichen Diskussionen werden Kleinkriege geführt. Aus einem erfolgreichen Sanierer wird dann schnell ein künstlerischer Direktor, und der Rundumschlag beginnt: Kulturjournalisten werden als Sparkommissäre verunglimpft, und schlecht informierte Politiker, die schlecht geschriebene Zeitungen abschreiben (Burgdirektor Hartmann im ORF- Kulturmontag am 24. 2. 2014) sollten sich nicht weiter äußern dürfen. Da bezeichnet man sich selbst also gern und leicht als Sanierer und meint damit nicht die künstlerische Ausrichtung.

Verwegene Aussagen

Ein Interview mit der Austria Presse Agentur vom 14. 1. 2014 mit der Aussage, zwei Theater als Sanierungsfälle geerbt und saniert zurückgelassen zu haben, wurde ja mittlerweile von den Eigentümern korrigiert. Überhaupt klingt die Übernahme wirtschaftlicher Topoi in den Sprachgebrauch von Menschen, die sich täglich mit der Interpretation von Texten beschäftigen, prinzipiell problematisch. "Wenn das [Burgtheater] eine Aktiengesellschaft wäre - ich würde sofort kaufen" (Kulturmontag 24. 2. 2014). Diese Aussage ist sehr verwegen und in Anbetracht der veröffentlichten Informationen über die Finanzlage des Theaters anlagetechnisch mutig.

Die aktuelle Diskussion erspart nicht die grundlegende Fragestellung: Wie viel ist der Öffentlichkeit die Kulturleistung der großen Institutionen wert? Und das unabhängig von der Finanzierung der kleinen Initiativen, die sich abstrampeln, um überleben zu können. Wenn vonseiten der Kulturpolitik und der Öffentlichkeit mehr Leistung gewünscht wird, sind die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen. Wenn es nicht mehr Mittel gibt, ist die Leistung zu reduzieren. Das ist kurzfristig möglich, kann aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass auf Dauer eine Anpassung der öffentlichen Zuwendungen zur Erfüllung der Kernaufgaben erforderlich ist. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Schmerzhafte Nachricht

Nach dem Kuratorium der Salzburger Festspiele hat nun auch erstmals der neue Kulturminister offen von einer Rücknahme der Leistungen gesprochen. Diese Offenheit und Ehrlichkeit ist ein Novum, und dafür gebührt Respekt, auch wenn die Nachricht für Kulturverantwortliche schmerzhaft ist. Die Verunglimpfung von Menschen, welche die Knappheit von Mitteln als Tatsache aus- und Missstände ansprechen, ist unappetitlich und ein Zeichen dafür, dass die Augen weiter verschlossen bleiben.

Die Diskussion darüber, an welcher Schraube zu drehen ist, muss rasch geführt werden - bevor mehr Menschen, die für eine Sache glühen, daran verbrennen. (Christian Kircher, DER STANDARD, 6.3.2014)