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Ein Drittel aller radiologischen Untersuchungen ist gar nicht nötig, sagt Experte Guy Frija.

Foto: APA/Jan Bauer/DPA-ZENTRALBILD

Ein Drittel der Untersuchungen ist nicht klinisch gerechtfertigt oder hat keinen Nutzen. Das sagte der Präsident der Europäischen Gesellschaft für Radiologie, Guy Frija, anlässlich der Eröffnung des 26. Radiologenkongress (ECR), der derzeit in Wien stattfindet.

Richtige Information zur richtigen Zeit

"Wir brauchen jeweils die nützlichen und adäquaten Untersuchungen in der richtigen Durchführung und müssen den Patienten die richtige Information zur richtigen Zeit geben", sagt Frija. Die Verlockung der "schönen Bilder" aus dem Inneren des Körpers, je nach Finanzierungswesen im Gesundheitssystem wohl auch zu einem Teil ökonomische Triebkräfte, "Absicherungsmedizin" und andere Rahmenbedingungen führen aber auch zu einem Gutteil an überflüssigen radiologischen Untersuchungen.

Das ist besonders dann ungünstig, wenn es zu einer unnötigen Strahlenbelastung, am stärksten bei Computertomografien und Schichtbildröntgen, kommt. "Ein Drittel der Untersuchungen sind klinisch nicht gerechtfertigt oder nicht nützlich. Es wurden Leitlinien entwickelt, aber wir müssen ihre Verwendung verbessern. Es gibt bei den Untersuchungsabläufen Unterschiede zwischen den verschiedenen Zentren", sagte Frija. Die Einsparung unnötiger Untersuchungen würde die vorhandenen Radiologie-Kapazitäten für sinnvolle Scans erhöhen, Kosten und Strahlenbelastungen sparen.

Die Minimierung der Strahlendosis bei Untersuchungen ist aber auch eine Frage der optimalen Technik. Bei der Computertomografie und der Angiografie (Gefäßdarstellung per Röntgen-Kontrastmitteluntersuchung) könne man mit der modernsten Technik die Strahlendosis zumindest um die Hälfte reduzieren. Der Radiologe fordert hier auch die Europäische Kommission auf, das Nachrüsten von Geräten oder die Finanzierung neuer Einrichtungen zu ermöglichen.

Personalisierte Medizin

Weiteres großes Thema der Konferenz ist die personalisierte Medizin. "Wir erleben hier einen Paradigmenwechsel", sagte Radiologe Hans-Ulrich Kauczor. Nicht mehr alle Patienten mit einer Diagnose sollen die gleiche Therapie bekommen, sondern jeweils nach den Charakteristika ihrer Erkrankung. "Dazu braucht man ein phänotypisches (Erscheinungsbild der Erkrankung) und ein genotypisches Profil", so der Experte. Dazu könne die moderne Radiologie wesentlich beitragen.

Ein Beispiel: Während ehemals die Diagnose aggressiver verlaufender Mammakarzinome vom Typ der HER-2-positivien Erkrankungen nur mittels Feststellung der HER2-Rezeptoren in Gewebeproben möglich war, lässt sich das nunmehr bereits radiologisch und bildgebend verifizieren. Mit einer Magnetresonanz-Untersuchung, die auf der Flüssigkeitsverteilung im Gewebe aufbaut, kann unmittelbar nach dem Start einer Anti-HER2-Therapie (mit monoklonalen Antikörpern) schon festgestellt werden, ob die Behandlung wirkt.

Besonders vielversprechend seien "Theranostics". Dabei wird zunächst - zum Beispiel mit nuklearmedizinischen Methoden - die Diagnose gestellt und dann auch gleich eine zielgerichtete Therapie auf dem gleichen Weg verabreicht.

Gänzlich neue Erkenntnisse erwarten sich die Neurologen von der Darstellung des "Connectomes" des Gehirns durch die Radiologen. Darunter versteht man die Rekonstruktion aller Nervenverbindungen im Gehirn. Hier stellt die Bildgebung der Strukturen und die Darstellung funktionaler Abläufe (auch ihrer Dynamik) die einzige Möglichkeit dar, den Geheimnissen des menschlichen Gehirns wirklich auf die Schliche zu kommen.

"Es geht um die Rekonstruktion der gesamten Konnektivität im Gehirn über Raum und Zeit. Krankheiten wie Morbus Alzheimer, Schizophrenie und Autismus werden auch durch eine fehlerhafte 'Verschaltung' im Gehirn charakterisiert. Gehirnareale, die durch eine besonders hohe Konnektivität gekennzeichnet sind, weisen im Krankheitsfall oft besonders deutliche Schäden auf", sagt Patric Hagmann von der Universitätsklinik von Lausanne. Der Kongress in Wien läuft noch bis 10. März. (APA/red, derStandard.at, 6.3.2014)