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Ein Sarg aus Schuhkartons: Regierungsgegner fordern wegen der Korruptionsaffären den Rücktritt von Premier Erdogan.

Foto: Reuters/Umit Bektas

Istanbul - "Süleyman der Prächtige", wie er ironisch genannt wird, hat auch sein Geld zurückbekommen: 4,5 Millionen Dollar, zu Hause in Schuhkartons versteckt. Alles nur wohltätige Gaben, die sich eben so angesammelt hätten, versichert die Regierung, die ihn stützt. Die Schuhkartons sind zum Symbol der Korruptionsaffären geworden, die seit nun bald drei Monaten die Türkei in Bann halten.

Süleyman Aslan, der Generaldirektor der staatlichen Halkbank, ist mittlerweile aus der Untersuchungshaft freigekommen, und nach ihm auch die letzten der mehr als 50 Verhafteten - zwei Ministersöhne und ein iranisch-türkischer Geschäftsmann, um den sich ein Teil der Vorwürfe über käufliche Minister, Bestechung bei Bauprojekten und über die Umgehung der internationalen Iran-Skantionen spinnt. Sie ziehen das einstige Boomland Türkei jetzt nach unten.

"Der 17. Dezember war ein großer Einschnitt", sagt Bendevi Palandöken, der Vorsitzende der türkischen Handwerker- und Händlervereinigung Tesk, und meint damit den Tag der Polizeirazzia, an dem Bankdirektor, Baumagnaten und insgesamt drei "Ministerbuben" abgeführt wurden. "Das große Problem ist jetzt, dass niemand hier in der Lage ist, Voraussagen für die nahe Zukunft zu machen. Es gibt eine Unsicherheit", erklärt Palandöken dem Standard und fügt hinzu: "Für kleine Unternehmen in der Türkei ist es nun noch schwerer geworden, von den Banken Kredite zu bekommen."

Kreditkosten steigen

15 Prozent ihres Werts verlor die türkische Lira nach der Razzia, bis die Zentralbank in Ankara Ende Jänner die Leitzinsen drastisch erhöhte und damit auch die Kosten für Firmen- und Privatkredite. Seither hält die Währung bei drei Lira für einen Euro und 2,20 für einen Dollar und sackt nur an den Tagen ab, an dem besonders kompromittierende Mitschnitte abgehörter Gespräche zwischen Premier Tayyip Erdogan, seinem Sohn Bilal und Geschäftsleuten auftauchen. Oder wenn sich der Regierungschef wieder mit der Koç-Holding anlegt, der größten privaten Industriegruppe im Land. "Wir haben ein Recht auf eine saubere Politik", schoss Mustafa Koç dieser Tage zurück.

Jahrelang abgehört

Was beim Machtkampf im islamischen Lager in der Türkei bis zu den Kommunalwahlen Ende März und den Präsidentenwahlen im August noch alles an schmutziger Wäsche zum Vorschein kommt, wissen nur die Besitzer der Gesprächsmitschnitte. Erdogan, seine Minister und die Geschäftsleute, die mit der Regierung Geld verdienen, sind seit Jahren abgehört worden.

Das Vertrauen der Türken in ihre Wirtschaft scheint jedenfalls erschüttert: 42 Prozent minus zwischen Mai 2013 und Februar dieses Jahres verzeichnete der Verbraucherindex des türkischen Wirtschaftssenders CNBC-e. Um ein Viertel stieg laut Statistikamt die Zahl der Türken, die angeben, in diesem Frühjahr kein neues Auto oder große Haushaltsgeräte anschaffen zu wollen.

Die Zurückhaltung beim Konsum ist wiederum auch von der Regierung gewünscht. Nach wie vor schlägt sich die Türkei mit einem Außenhandelsdefizit herum, das die Inflation anheizt. Bei rund 47 Milliarden Euro stand es Ende 2013 - ein Drittel mehr als im Jahr davor.

Die hohen Preise für die Energieimporte aus Russland und dem Iran tragen zum Außenhandelsdefizit bei, aber auch elektronische Geräte - Smartphones zumal - und Autos; fast 80 Prozent der Autos, die türkische Verbraucher im vergangenen Jahr kauften, waren im Ausland produziert worden.

Ratenzahlung verboten

Die türkische Regierung erhöhte zum Jahresbeginn deshalb wieder die sogenannte Sonderverbrauchssteuer (ÖTV) auf importierte Kraftfahrzeuge; bei Wagen mit über 2000 Kubikzentimetern Hubraum liegt sie nun bei 145 Prozent. Seit Februar gilt aber auch ein Verbot für Ratenzahlungen mit Kreditkarte beim Kauf von Mobiltelefonen und Schmuck; bei anderen Produkten wie etwa Haushaltswaren ist die Anzahl der Raten beschränkt. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD, 7.3.2014)