Bild nicht mehr verfügbar.

Nicht allen ist die Liebe zur Musik in die Wiege gelegt. Ein vermeintlich universeller Glücksfaktor kann auch versagen.

Foto: EPA/JENS WOLF

Barcelona - Da kann Madonna noch so oft "Music makes the people come together" skandieren, nicht alle werden dem Ruf folgen. Die vermeintlich universelle Sprache Musik kann ganz unterschiedliche Reaktionen auslösen - und manchmal auch gar keine.

2013 stellten Max-Planck-Forscher kulturelle Unterschiede bei der Interpretation von Musikstücken fest: Testhörer aus Europa und einer indigenen Volksgruppe aus Kamerun ordneten den Stücken zwar die gleichen grundlegenden Emotionen zu. Bildliche Assoziationen hingegen liefen weit auseinander: Wo die Europäer bei einer Melodie an einen Vogel dachten, sahen die Afrikaner erstaunlich einheitlich einen Stier vor sich.

Nun zeigt eine in "Current Biology" erschienene Studie, dass Musik auch auf einer ganz anderen Ebene nicht alle Menschen unter ihrem Banner vereint. Forscher um Josep Marco-Pallarés von der Universität Barcelona vermelden die Identifizierung einer bislang nicht bekannten psychischen Disposition, die sie als spezifische musikalische Anhedonie bezeichnen. Einfacher ausgedrückt: Die betroffenen Menschen haben keinen Spaß an Musik.

Lieber Geld als Musik

Für ihre Testreihe teilten die Forscher Probanden in drei homogene Zehnergruppen auf. Eine davon umfasste diejenigen, die zuvor in einem Fragebogen Gleichgültigkeit gegenüber Musik bekundet hatten. In allen anderen Variablen glichen die drei Gruppen einander.

Tatsächlich zeigten Messungen des Herzschlags und des Hautwiderstands während des Vorspielens verschiedenster Musikstücke, dass die typischen physiologischen Anzeichen freudiger Erregung bei diesen Probanden ausblieben. Und das, obwohl sie laut Vorabtests nicht unter Amusie litten, also Melodien sehr wohl erkennen konnten, und auch in der Lage waren, zu beurteilen, ob ein Stück fröhlich oder traurig gemeint war. Der Funke sprang nur nicht auf sie über.

In einem Gegenversuch zeigte sich, dass andere Formen des Vergnügens uneingeschränkt funktionierten. In einem Spiel, bei dem es Geld zu gewinnen gab, reagierten alle drei Versuchsgruppen identisch.

Und genau das ist für die Forscher der zentrale Punkt ihrer Studie. Anhedonie, also die eingeschränkte Fähigkeit, Freude und Lust zu empfinden, gilt als Symptom verschiedener psychischer Krankheitsbilder. Sie wurde bisher jedoch als allgemeines Phänomen betrachtet, das die Freude an so unterschiedlichen Dingen wie Sex, Essen und Trinken oder eben auch Musik gleichermaßen schmälert.

Diesen Ansatz sollte man laut Marco-Pallarés überdenken. Das gehirneigene Belohnungssystem und mit ihm die Ausschüttung des "Glückshormons" Dopamin funktionieren offenbar komplexer als gedacht. Die Entdeckung einer rein musikalischen Anhedonie könnte damit zu einem besseren Verständnis der entsprechenden Gehirnprozesse führen. (Jürgen Doppler, DER STANDARD, 7.3.2014)