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Prorussische Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude in der Krim-Hauptstadt Simferopol, im Hintergrund ein Denkmal aus dem Zweiten Weltkrieg.

Foto: AP / Sergej Grits

Der Premier der Krim, Sergej Aksjonow, spricht von einer "historischen Entscheidung": Das Parlament der Halbinsel hat den Beitritt zu Russland beschlossen. Auf der außerordentlichen Sitzung am Donnerstag stimmten die Abgeordneten geschlossen für den Antrag.

Das letzte Wort sollen die Bürger der Krim haben - doch sie werden zur Eile gedrängt. Das Parlament hat das geplante Referendum erneut nach vorn verlegt. Sollte die Abstimmung ursprünglich zeitgleich mit den in der Ukraine geplanten Präsidentenwahlen am 25. Mai stattfinden, so wurde zuletzt der 30. März als Termin genannt. Nun ist selbst das zu spät: In zehn Tagen, am 16. März, ist das Referendum.

Aksjonow begründete die Eile mit einer angeblichen Verstärkung nationalistischer Aktivitäten in der Ukraine. Ob er sich damit auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen regierungsfreundlicher und -feindlicher Gruppierungen in Donezk und anderen Städten der Ostukraine bezog, ist unklar. Sicher ist, dass die Führung der Krim die Gunst der Stunde nutzen will. Die Bürger sollen zwischen zwei Varianten wählen: "Sind Sie für eine Angliederung der Krim an Russland als Föderationssubjekt?" oder "Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung der Republik Krim aus dem Jahr 1992 und für den Status der Krim als Teil der Ukraine?"

Angesichts der derzeit bei vielen Bewohnern Simferopols und Sewastopols vorherrschenden prorussischen Stimmung hofft das Parlament, vom Wahlvolk bestätigt zu werden. Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude quittierten den Beschluss dann auch mit "Russland"-Rufen. Ob es eine echte Wahl geben wird, bleibt nicht nur angesichts der Hektik zweifelhaft: Die prinzipielle Entscheidung für den Beitritt zu Russland sei ohnehin schon gefallen, sagte Aksjonows Stellvertreter Rustam Temirgalijew. Ein Beitrittsgesuch sei an Russlands Präsident Wladimir Putin und das russische Parlament abgeschickt worden, teilte er mit.

Der Vize-Premier verkündete schon erste Prognosen für das Ergebnis: Demnach sollen über 70 Prozent der Wahlberechtigten für den Beitritt zu Russland stimmen.

Mit der Zustimmung der Krimtataren, einer Minderheit von gut zwölf Prozent, rechnet er hingegen wohl nicht. Tatsächlich haben sich viele Vertreter des Volks für einen Verbleib bei der Ukraine ausgesprochen. Da half auch der von Moskau initiierte Versuch, die russischen Tataren als Vermittler einzuschalten, nichts.

Der Chef der Krimtataren, Refat Tschubarow, nannte den Beschluss des Obersten Sowjets "verrückt". "Sie erfüllen einen fremden Willen", sagte er und verlangte den Einsatz von UN-Friedenstruppen auf der Krim. Er kündigte einen Boykott des Referendums durch die Krimtataren an. Sie gelten als konsequenteste Gegner einer Entscheidung, die Krim Moskau zu unterstellen. Der Widerstand der Krimtataren könnte international für Spannungen sorgen; die Türkei versteht sich als Schutzmacht der Minderheit.

In Moskau hingegen wurde der Antrag mit Wohlwollen aufgenommen. Politische Beobachter gehen angesichts der russischen Truppen auf der Krim ohnehin davon aus, dass die Separationsbestrebungen vom Kreml gesteuert werden. Putin hatte vor einigen Tagen zunächst noch ausweichend geäußert, dass Russland einen Beitritt der Krim nicht erwäge. "Die Bewohner der Krim haben das Recht, frei über ihr Schicksal zu entscheiden. Das Recht einer Nation auf Selbstbestimmung hat noch niemand aufgehoben", fügte er allerdings hinzu.

Putins Entscheidung

Die Duma kündigte an, bereits in der kommenden Woche über den Antrag abzustimmen. Dass die Entscheidung allerdings allein bei Putin liegt, machte der Vorsitzende des GUS-Ausschusses Leonid Sluzki deutlich: "Die Duma schaut sich alle Gesetzesentwürfe an, wenn das Referendum vorliegt und sich die russische Führung zu dem Thema entschieden hat", sagte er. (André Ballin aus Simferopol, DER STANDARD, 7.3.2014)