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Seit 1993 demonstriert die Statue der Imperia in Konstanz, wer die Kaiser und Päpste des Mittelalters in der Hand hatte: Dirnen.

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Mit der Imperia wurde den "Hübschlerinnen" ein Denkmal gesetzt.

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Info: Konziljubiläum Konstanz

Die riesigen Brüste und üppigen Hüften der Imperia haben in Konstanz für einige Diskussionen gesorgt. Als die neun Meter hohe Figur des Bildhauers Peter Lenk 1993 an der Hafeneinfahrt der deutschen Stadt am Bodensee aufgestellt wurde, murrte manch ein Stadtbewohner, man könne einer Dirne doch nicht einen solch prominenten Platz einräumen. Noch dazu mit halb entblößten, überdimensionierten Rundungen.

Nichtsdestotrotz dreht sich die Imperia seither alle vier Minuten um die eigene Achse, in der einen Hand einen mickrigen Kaiser, in der anderen einen ebenso mickrigen Papst - eine nunmehr liebgewonnene Erinnerung an eines der wichtigsten Ereignisse des Mittelalters: das Konstanzer Konzil.

Anlässlich des 600-Jahr-Jubiläums will die Stadt diesen "Meilenstein in der Geschichte Europas" in den kommenden vier Jahren in den Fokus setzen. Startschuss ist am 27. April mit der Eröffnung der Großen Landesausstellung Das Konstanzer Konzil 1414-1418 - Weltereignis des Mittelalters. Oberbürgermeister Uli Burchardt schwärmt von einer "Jahrhundertchance, Konstanz wieder mehr als Wissens- und Kulturstandort zu profilieren - und als Ort, an dem Konsens gefunden werden kann".

Im Jahre 1414 lud der römisch-deutsche König Sigismund Kirchenvertreter, Adelige und Gelehrte aus ganz Europa in die Seestadt nördlich der Alpen, um über die Einheit und Zukunft der katholischen Kirche zu beraten. Zu einer Zeit, in der drei Päpste die Macht beanspruchten, sich erste reformatorische Ideen verbreiteten und der europäische Kontinent in Konflikten versank, sollte die Versammlung die Kirche auf eine neue Grundlage stellen und für politischen Frieden sorgen.

Vier turbulente Jahre

Das Konzil dauerte vier turbulente Jahre. Ein Papst flüchtete, ein anderer wurde verbannt, die böhmischen Reformatoren Jan Hus und Hieronymus von Prag endeten als Ketzer auf dem Scheiterhaufen, was später die Hussitenkriege entfachte. Aber die Versammlung erreichte ihr wichtigstes Ziel: die Spaltung der Kirche zu überwinden. Im November 1417 wurde mit Martin V. ein neuer Papst gewählt und die Kirche unter einem Oberhaupt vereint.

Doch - das deutet die Statue der Imperia schon an - das Konzil war für die Stadt noch viel mehr. Wie sich das mittelalterliche Leben während dieser vier Jahre gestaltete, weiß man dank des Konzilchronisten Ulrich Richental, der in seinen Aufzeichnungen und farbenfrohen Illustrationen über die Kirchenversammlung auch viel Alltägliches festhielt.

So führt er allein 700 registrierte Prostituierte an, damals "Hübschlerinnen" genannt, die einen nicht zu unterschätzenden Einfluss gehabt haben sollen - ihnen wurde mit der Imperia ein Denkmal gesetzt. Mehr als 70.000 Menschen aus ganz Europa besuchten damals in vier Jahren die Stadt: Neben den Teilnehmern Berater, Geschäftsleute, Handwerker.

Chronik des Alltäglichen

Es ist neben den historischen Ereignissen gerade dieser Alltag vor 600 Jahren, den Konstanz erlebbar machen möchte. Die Richental-Chronik, die im Konstanzer Rosgartenmuseum ausgestellt ist, wurde digitalisiert; eine Ausstellung dort zeigt das Stadtbild und das tägliche Leben zur Zeit des Konzils. Vor dem imposanten Konstanzer Münster gibt es im Sommer Festspiele. Der Konzil-Experte Henry Gerlach schlüpft für Stadtführungen in das Gewand von Ulrich Richental und trifft bei seinen Streifzügen durch die Stadt Figuren aus der Zeit.

Radtouren, auch auf Schweizer Boden, zeichnen die Routen prominenter Konzilsteilnehmer nach. Dazu gehört die Flucht von Papst Johannes XXIII., der sich weigerte abzudanken. Hier entschied sich zudem ein Stück österreichischer Geschichte: Unterstützt wurde der Kirchenvertreter bei seinem Fluchtversuch vom Habsburger Herzog Friedrich IV.

Weil sich der Herzog damit gegen das Konzil gestellt hatte, verhängte ein aufgebrachter König Sigismund über ihn die Reichsacht und mobilisierte die Eidgenossen, die als militärische Elite galten. So wurden die Habsburger aus dem heutigen Schweizer Kanton Aargau vertrieben. Truppen der Reichsstädte um den See beendeten die Herrschaft der Habsburger im Thurgau. (Julia Raabe, DER STANDARD, Album, 8.3.2014)