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Der größte Tag in der Vereinsgeschichte von ND Gorica: Am 4. August 2004 wurde der FC Kopenhagen in der zweiten Runde der Qualifikation zur Champions League mit 5:0 bezwungen.

Foto: APA/EPA/Möller

Daniele Bazzoffia ist ein gewöhnlicher Profifußballer aus Italien. Seine Karriere begann er bei Atletico Arezzo in der Toskana, danach tingelte er durch die italienische Fußballprovinz, spielte meistens auf Leihbasis. Seit 2012 besitzt der Erstligist FC Parma die Transferrechte des Mittelstürmers. Vergangene Saison stand Bazzoffia 24-mal für den AS Gubbio in der dritten Liga auf dem Platz und war dort einer von insgesamt sieben Leihspielern des FC Parma.

Kein ungewöhnlicher Karriereweg in Italien: Ausleihen und 50-Prozent-Verträge haben Tradition, auch intensivere Kooperationen zwischen einzelnen Vereinen sind üblich. in jeder Transferphase werden hunderte Spieler auf dem "Mercato" hin und her geschoben. Der FC Parma hat aber den Innovationsgrad des Calcio auf eine neue Stufe gehoben: Wanderarbeiter Bazzoffia spielt mittlerweile bei ND Gorica und ist einer von insgesamt 22 Profis, die Parma dorthin verliehen hat. Dabei ist Gorica kein italienischer Verein, sondern einer der Spitzenvereine in Slowenien und viermaliger Meister, zuletzt 2006.

22 Spieler und Funktionäre

Beheimatet sind die Plavo-Beli (Blau-Weißen) in Nova Gorica, slowenischer Teil der bis 1918 zu Österreich gehörigen Stadt Görz. Der Grenzort fiel nach dem Ersten Weltkrieg an Italien, ein kleinerer Ostteil der Stadt gehörte seit 1947 zu Jugoslawien. Im Fußball hat der FC Parma diesen Osten von Gorizia, wie Görz auf italienisch heißt, für Italien zurückgewonnen. Seit Sommer 2013 besteht eine intensive Kooperation zwischen dem FC Parma und ND Gorica. Im Rahmen dieser Verbindung haben die Italiener nicht nur 22 Spieler an den Isonzo geschickt: Mit den Geschäftsführern Dario Della Corte und Michele Dal Cin sowie Trainer Luigi Apolloni sind auch die Schlüsselpositionen bei Gorica mit Italienern besetzt. "Das ist normal", sagt der österreichische Spielerberater und Branchen-Insider Max Hagmayr. "Die Italiener sagen sich: 'Wir schicken die Spieler lieber zu Vereinen mit italienischen Trainern, die trainieren wie wir'."

In Slowenien war ND Gorica zuvor als Talenteschmiede bekannt gewesen, Nationalspieler Valter Birsa, derzeit bei AC Mailand angestellt, feierte hier seinen Durchbruch. In den letzten Jahren verblasste der Glanz vergangener Tage aber zusehends. "Jahr für Jahr wurden die Schulden bei Gorica größer. Sie standen am Rande des Ruins, Spieler waren über Monate nicht bezahlt worden" erinnert sich Jure Bohorič, Redakteur des slowenischen Sportmagazins "Ekipa". "Sie hätten sicherlich nicht die Lizenz für die erste Liga bekommen, doch dann kam das Agreement mit Parma. Das hat den Klub gerettet."

Parmas B-Team

Die Kooperation hatte ihren Preis: Gorica hat seine Identität als slowenischer Verein zu großen Teilen eingebüßt. "Der Klub ist im Grunde Parmas B-Team geworden", sagt Journalist Bohorič. Das Gastspiel bei Traditionsklub Olimpija Ljubljana begann die Mannschaft im November mit nur einem Slowenen in der Startaufstellung. In der 76. Minute wurde mit Daniele Bazzofia die zehnte Parma-Leihgabe bzw. der achte Italiener aufs Feld geschickt – und der letzte Einheimische ausgewechselt. Ein vieldiskutiertes Novum in der slowenischen Fußballliga, die sogar mit den Spielern von Gorica nur auf einen Ausländeranteil von 30 Prozent kommt.

In Ljubljana betrat acht Minuten später mit Amedej Vetrih zumindest wieder ein Slowene für Gorica das Feld. Auch dies ein Wechsel mit Symbolcharakter, denn den 23-jährigen Vetrih hat Parma gekauft, mit einem Vertrag in Italien ausgestattet und dann direkt an Gorica rückverliehen.

Kooperation wird intensiver

Bisher ist die italo-slowenische Kooperation nicht auf besonderen Widerstand gestoßen. Zwar gab es anfangs Proteste seitens der lokalen Fan-Gemeinschaft, doch als der Saisonstart mit Erfolg gelang, erregten die Spiele von Gorica größere Aufmerksamkeit als zuvor, sagt Bohorič. Und die Kooperation wird noch intensiver: Im Februar hat der Klub verkündet, dass der italienische Konzern Energy T.I. neuer Hauptsponsor wird. Der Energiehändler ist in Italien bei mehreren Sportarten als Sponsor aktiv und unterstützt unter anderem den Fußball-Topklub Juventus Turin.

Der slowenische Fußballverband NZS verhält sich angesichts dieser Entwicklungen erstaunlich ruhig. "Sie haben das nie richtig kommentiert", berichtet Bohorič. Auch eine Anfrage von derStandard.at zur Thematik wurde vom NSZ letztlich nicht beantwortet. In naher Zukunft könnte zumindest die europäische Fußballorganisation UEFA auf die Kooperation aufmerksam werden, denn sowohl Parma (7. Platz Serie A) als auch Gorica (4. Platz Prva Liga) haben gute Chancen, es zumindest in die Qualifikation zur Europa League zu schaffen. "Parma A" vs. "Parma B" im Europapokal?

UEFA verweist auf Regularien

Die UEFA verweist in ihrer Antwort auf die Anfrage, inwiefern die transnationale Kooperation zwischen Parma und Gorica gegen ihre Regularien verstoßen könnte, auf Artikel 3 ihres Reglements. Unter der Überschrift "Integrität des Wettbewerbs" heißt es dort: "Kein Verein, der an einem UEFA-Klubwettbewerb teilnimmt, darf direkt oder indirekt: auf irgendeine Art und Weise an der Führung, der Verwaltung und/oder den sportlichen Leistungen eines anderen an einem UEFA-Klubwettbewerb teilnehmenden Vereins beteiligt sein bzw. auf irgendeine Art und Weise Einfluss auf die Führung, die Verwaltung und/oder die sportlichen Leistungen eines anderen an einem UEFA-Klubwettbewerb teilnehmenden Vereins nehmen."

Goricas italienische Geschäftsführer üben keine Doppelfunktion aus, waren aber vor ihrer Tätigkeit in Slowenien bei Parma angestellt. Trainer und Ex-Nationalspieler Apolloni hat als Verteidiger über zehn Jahre seine Knochen für Parma hingehalten und war auch kurzzeitig Coach bei Gubbio, Parmas bevorzugter Leihstation in Italien. Als Gorica den neuen italienischen Hauptsponsor präsentierte, war auch Parmas Manager Pietro Leonardi zugegen.

"Dann wird dieser Klub nichts haben"

Wenn zwei Vereine durch ihre Zusammenarbeit gegen die Regeln zur "Integrität des Wettbewerbs" verstoßen, sehen die Regeln der UEFA vor, dass nur einer der beiden Vereine am internationalen Klubwettbewerb teilnehmen darf. Im vergangenen Sommer stand diese Regel bereits in der Diskussion, als sich mit dem FC Pasching ein Kooperationspartner von Red Bull Salzburg für die Europa League qualifiziert hatte. Die UEFA gab damals grünes Licht für das B-Team.

Von den Verbänden droht der Achse Parma-Gorica also wohl keine Gefahr. Doch was passiert, wenn sich die Italiener eines Tages aus Slowenien zurückziehen? "Dann wird dieser Klub nichts haben", glaubt Bohorič. (Jörn Wenge, derStandard.at, 7.3.2014)