Foto: Ron Morelli © Promotionfoto
Foto: Morphosis © Promotionfoto

Das in Wien stationierte Label Editions Mego ist ohne Zweifel eines der besten und wichtigsten Labels der jüngeren Vergangenheit. Unter der Aufsicht von Label-Kopf Peter "Pita" Rehberg wird hier an der Zukunft geforscht und mit wissenden Augen in der Vergangenheit gebohrt. Nicht zuletzt durch die Arbeit der Subdivisionen Spectrum Spools, Sensate Focus, Recollection GRM, Ideologic Organ und Old News ist Editions Mego in den letzten Jahren zu einer der vielseitigsten Brutstätten für abenteuerliche Musik geworden. Am 3.5. präsentiert eine große Gesandtschaft von Editions Mego das weite Spektrum des Labels. Falls man es noch nicht gewusst haben sollte: Editions Mego ist immer schon viel mehr gewesen als Laptop-Gefiepse, digitaler Noise und die glitchy Elektronik, mit der das Label, etwas bruchstückhaft betrachtet, gerne assoziiert wurde und wird.

Man kann das schon am Nachmittag im Klangraum Krems Minoritenkirche gut überprüfen: Der französische Elektro-Akustiker Kassel Jaeger aus dem Umfeld der 1958 von Pierre Schaeffer gegründeten Groupe de Recherches Musicales (GRM) wird da zu hören sein, ebenso wie Bill Orcutt, einst Kopf der legendären Noise-Gruppe Harry Pussy, mittlerweile im Dienste einer fingerpicking Gitarre zwischen John Fahey und sprödem Todes-Blues unterwegs.

Zwischen kosmischem Zwitschern und harmonischem Summen

Ebenfalls im Klangraum Krems Minoritenkirche zu sehen: Compound Eye, eine Kollaboration zwischen Drew McDowall (Coil, Psychic TV) und Tres Warren (Psychic Ills), die sich kosmischem Zwitschern, Minimalismus und harmonischem Summen widmet; Stephen O’Malley, bekannt vor allem aus der Drone-Doom-Band Sunn o))) und dem Gemeinschaftsprojekt KTL mit Peter Rehberg, ist Gesandter eines ewigen, unheiligen Dröhnens. Ein zäher Fluss, eine Massage. Christian Fennesz, quasi Popstar zwischen manipulierter Gitarre und Elektronik, reist am Abend mit neuer Platte im Gepäck an, der langgediente Produzent Mark Fell (unter anderem Teil der wegweisenden Formation SND) baut mit seinem Projekt Sensate Focus scharfkantige, vertrackte Tanzmusik ohne Bullshit und ohne Rüschen.

Aus dem Zusammentreffen des italienischen Techno-Pioniers Donato Dozzy und dem amerikanischen Produzenten Chris Madak aka Bee Mask ist vergangenes Jahr ein Album des Jahres entstanden: "Donato Dozzy Plays Bee Mask". Ein Pulsieren, ein Blubbern, ein Zittern, das Rauschen des Regens. Outer Space ist die Zusammenarbeit von John Elliot (ehemals Emeralds), Kurator des Editions-Mego-Sublabels Spectrum Spools, und Andrew Veres. Gemeinsam überführen sie Einflüsse von Synthesizer-Pionieren wie Laurie Spiegel oder Klaus Schulze und die elektronischen Seitenbaustelle des Krautrock der 70er-Jahre in die Gegenwart bzw. schon ins Morgen. Outer Space, sprechender Name.

Heiß gehandelte Grenzgänger

Falsch wäre es nun sicher nicht Morphine Records als ein Label der Stunde zu bezeichnen – es wäre bloß ein wenig kurzsichtig und zu knapp gegriffen. Das mittlerweile in Berlin stationierte Label ist bereits seit 2005 aktiv und darf in seiner ästhetisch strengen Ausrichtung zwischen Techno, digitalem Noise, den Nachwehen von Industrial und kaltem Minimalismus sicherlich auch als eine Blaupause für aktuelle heiß gehandelte Grenzgänger wie PAN Records oder L.I.E.S. gelten.

Der ursprünglich aus dem Libanon stammende Labelkopf Rabih Beaini a.k.a. Morphosis hat bloß die Geschäfte ein wenig ruhiger angehen lassen oder Morphine zwischenzeitlich auch schon mal auf ein kleines Nickerchen geschickt. Vor rund zwei Jahren hat Morphine Records wieder volle Fahrt aufgenommen, 2013 hat sich das Label mit einer Handvoll Releases dann endgültig aufgeschwungen, so etwas wie ein Label des Jahres zu werden. Am 2.5. wird Morphine Records einen Nachmittag im Klangraum Krems Minoritenkirche ausrichten: Mit dabei ist neben Strippenzieher Morphosis himself das amerikanische Duo Metasplice, das im vergangenen Jahr ohne großes Gepolter im Vorfeld – fast schon labelemblematisch - quasi aus dem Nichts ein Album veröffentlicht hat, das danach nur einen umso erschütternderen Impact hinterlassen sollte.

Auf ihrer Platte "Infratracts" bemühen Metasplice also zwar ebenso eines der dominierenden Muster der letzten zwei, drei Jahre, nämlich die Kollision von Techno und Noise, hier wird jedoch nicht bloß an Härte, Roughness und Intensität um der Intensität Willen gearbeitet, sondern nachgerade feinstofflich gewoben. Eine präzise gebaute und schwindlig machende Anordnung von Quietsch-Geräuschen, Summen, Ächzen und Scheppern. Die größte Entdeckung - im Wortsinne – ist Morphine Records jedoch in Gestalt von Charles Cohen geglückt, der das donaufestival ebenfalls mit einer Live-Performance besuchen wird. Der bis vor kurzem noch wenig bekannte Musiker aus Philadelphia ist ein Meister der Improvisation am Synthesizer, hat in seiner gut 40-jährigen Karriere Musik für Theater, Tanz und Performance gestaltet oder mit Techno-Produzenten jüngerer Generation gearbeitet. Weite Teile des Werks von Charles Cohen sind bislang nur kaum bis gar nicht zugänglich, wurden oft auch gar nie aufgenommen. Morphine Records hat 2013 mit der Veröffentlichung dreier atemberaubender 12"s und einer Remix-12" das wundersame, völlig aus der Zeit gefallene Werk des Charles Cohen einer breiteren Öffentlichkeit immerhin ausschnitthaft bekannt gemacht. Eine Legende zum Neu-Entdecken.

Ein Finger in die Wunden des westlichen Imperialismus

Den maschinellen, industriellen Seiten des Techno widmet sich auch der kalifornische Multimedia-Künstler Dominick Fernow. Seit fast zwanzig Jahren als Labelboss von Hospital Productions und als Noise-Techno- Zeremonienmeister Prurient im Business übersetzt er mit seinem Projekt Vatican Shadow martialische Rhythmen, kriegerische Ikonographien und bedrohlichen Ambient in einen, wie er selbst sagt, "militant religiösen", einnehmenden Marsch für den Dancefloor, in einen Finger in die Wunden des westlichen Imperialismus. Fernows Hospital Productions war seit jeher auch Labelheimat von Ron Morelli, auch wenn der New Yorker Produzent seit 2010 vor allem mit der von ihm gegründeten Plattenschmiede L.I.E.S. Records von sich reden macht. Obwohl das Label sowie seine Artists in den letzten Jahren in diversen Clubcharts weit oben zu finden sind, kommen seine soundästhetischen Wurzeln aus anderen Ecken, aus dem Noise, dem rohen Techno, der DIY-Schusterei im Keller. Auf seinem im Herbst 2013 erschienenen, eigenen Debütalbum "Spit" tritt Morelli den Beweis an, dass Clubmusik nicht immer mit einer pumpenden Kickdrum in Verbindung gebracht werden muss.

Sa, 26.04.

Hospital Productions Label Night mit Vatican Shadow, Ninos Du Brasil & Ron Morelli

Fr, 02.05.

Morphine Records Label Afternoon mit Metasplice, Charles Cohen & Morphosis

Sa, 03.05

Editions Mego family of labels showcase mit Fennesz, Stephen O’Malley, Kassel Jaeger, Compound Eye, Bill Orcutt, Sensate Focus, Outer Space, Donato Dozzy & Chris Madak