Sotschi - Waleri Suskewitsch hatte Tränen in den Augen, als er die entscheidenden Sätze sprach. "Wir wollen teilnehmen - für den Frieden in der Ukraine, in Europa und der Welt", sagte der Präsident des Paralympischen Committees der Ukraine während einer Pressekonferenz in Sotschi: "Wir treten an - für eine unabhängige und freie Ukraine."
Suskewitsch war am Donnerstagabend ein Gespräch mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin gewährt worden. "Ich habe 30 Minuten mit dem Präsidenten geredet, und er hat mir zugehört. Aber ich habe keine Garantien von ihm bekommen." Zur Sprache war auch gekommen, dass Mitglieder der ukrainischen Mannschaft bei der offiziellen Willkommenszeremonie im Athletendorf in Krasnaja Poljana in Sprechchören Frieden für die Ukraine gefordert hatten. Ursprünglich wollte das Internationale Paralympische Komitee (IPC) prüfen, ob gegen die paralympische Charta verstoßen worden sei, die politische Kundgebungen verbietet.
Am Freitag war davon keine Rede mehr. IPC-Präsident Sir Philip Craven (63) zeigte sich begeistert von der ukrainischen Teilnahme. "Wir wollen, dass der Sport im Mittelpunkt steht", sagte der Engländer, der dem IPC seit 2001 vorsteht. Craven ist seit seinem 16. Lebensjahr infolge eines Kletterunfalls querschnittgelähmt. Mit der britischen Rollstuhlnationalmannschaft war der Geograf 1973 Weltmeister. Eine Medaille blieb ihm bei fünf Paralympics-Teilnahmen verwehrt.
Solitär Tkatschenko
Bei der Eröffnungsfeier am Freitagabend vertrat einzig Fahnenträger Michailo Tkatschenko die ukrainische Equipe. Der Biathlet und Skilangläufer fuhr beim Einmarsch der 45 Nationen unbewegter Miene mit seinem Rollstuhl in die Fischt Arena ein. Vom Publikum, darunter auch Putin, wurde er mit Applaus bedacht.
Die österreichische Delegation, der insgesamt 13 Aktive angehören, wurde von Fahnenträger Philipp Bonadimann angeführt. Der 33-jährige Vorarlberger, der seit einem Motorrad-Unfall 1998 querschnittgelähmt ist, hat bei den Paralympics in Vancouver zwei Bronzemedaillen in Slalom und Super-Kombination gewonnen.
Abfahrtsfavoriten
Gute Chancen gleich bei seiner ersten Teilnahme dekoriert zu werden, hat dafür Markus Salcher. Der Alpine aus Klagenfurt ist am Samstag hoher Favorit in der Abfahrt, Kategorie stehend. Der 22-Jährige, dessen rechte Körperhälfte von Geburt an gelähmt ist, erzielte in beiden Trainingsläufen Bestzeit. Matthias Lanzinger (33), ebenfalls erstmals bei den Paralympics, zeigte mit den Rängen drei und vier auf. Salcher, der auch am Sonntag im Super-G aufzeigen möchte, sieht in dem ehemaligen Skiweltcup-Läufer, dem vor fast genau sechs Jahren nach einem Sturz im Super-G von Kvitfjell der linke Unterschenkel amputiert worden war, mehr eine Bereicherung als eine Konkurrenz. Lanzinger bedeute eine Aufwertung für den Sport und sei extrem nett. "Wir tauschen uns oft bei technischen Einzelheiten aus."
"Wir fahren in jeder Disziplin um Medaillen", sagte der Cheftrainer der Alpinen, Manuel Hujara, und verwies damit natürlich auch auf die Niederösterreicherin Claudia Lösch, die wie die Kollegen Roman Rabl (22) und Reinhold Sampl (41) sitzend abfährt.
Während die 25-jährige Lösch Abfahrtsgold zu ihren bisher sechs paralympischen Medaillen (2010 Gold in Super-G und Slalom) hinzufügen will, geht es für Michael Kurz (40) eher ums Dabeisein. Der Tiroler ist der einzige nordische Athlet des 13-köpfigen Aufgebots des Österreichischen Paralympischen Komitees. Der Stehend-Athlet beginnt am Samstag mit dem Biathlonbewerb über 7,5 Kilometer und bestreitet in Folge alle Biathlon- und Langlaufbewerbe. (APA, lü, DER STANDARD, 8.3.2014 + online update)