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Tinder: So heißt die Flirt-App für Technologieaffine und Unverbindliche.

Foto: Reuters/SHANNON STAPLETON

Ein Blick aufs Handy - und der Junggesellentraum beginnt: Agnes (28), schwarzes Kleid, gewinnendes Lächeln. Aber ein Selfie im Badezimmerspiegel? Geht mal gar nicht - next! Zwei Sekunden später poppt das Profil von Julia auf (23). Victory-Pose vor weißem Sandstrand. Ganz schön angeberisch - next! Vielleicht Theresa (24), brünett, schüchterne Rehaugen?

Tinder nennt sich das nächste, große Ding der Generation Y. Die Flirt-App passt wie maßgeschneidert für die Bedürfnisse der Technologieaffinen, Hochkommunikativen und in allen Lebenslagen Unverbindlichen. Quasi Online-Dating fürs Smartphone, nur kommt Tinder nahezu ohne all das aus, was klassische Flirtportale sonst kennzeichnet: langwierige Anmeldungen, ellenlange Formulare über die eigenen Hobbys und Lebenslaufstationen, und am Ende schlägt ein Algorithmus alle paar Tage einen vermeintlich passenden Partner vor.

Tinder hingegen schaut aus wie ein Glücksspiel und funktioniert auch so: Die App verbindet sich automatisch mit dem Facebook-Account des Users und reduziert sein Profil aufs Rudimentäre: Vorname, Alter und eine Handvoll Fotos. Weitgehend willkürlich werden dem Nutzer nun die Profile anderer Nutzer aus der näheren Umgebung geschickt, die er dann in Sekundenschnelle bewerten kann: Wer das Display nach rechts wischt, vergibt einen virtuellen Korb; nach links wischen bekundet Interesse. Wenn sich zwei Nutzer gegenseitig attraktiv finden, wird man benachrichtigt und kann einen Chat starten.

Ständige Bewertung

Das sei im Grunde wie im echten Leben, sagte Sean Rad, 27-jähriger Geschäftsführer von Tinder, in einem Interview mit dem Magazin Businessweek. Wenn man auf der Straße entlanggehe und potenzielle Partner sehe, würde nämlich die innere Stimme im Kopf auch ständig mitbewerten: "Ja, nein, ja, nein."

Allein in den USA erhält Tinder nach Firmenangaben alle anderthalb Monate einen Zuwachs von einer Million, zu gleichen Teilen männlichen und weiblichen Nutzern. Weltweit werde täglich rund 500 Millionen Mal "über das Display gewischt". In Österreich wird vor allem im urbanen Raum "getindert", vornehmlich in Wien.

Genau wie Facebook an amerikanischen Eliteuniversitäten seine kritische Masse an Nutzern erreichte, starteten die Tinder-Gründer ihre App im Herbst 2012 bei den berüchtigtsten Party-Unis des Landes. Dort versuchten sie gezielt, die attraktivsten Studentinnen von der App zu überzeugen, die aber allesamt ablehnten.

Spätestens im Juli 2013 ging der Marketingplan auf, als die New York Post die amtierende Miss USA auf ihr Cover hievte, nachdem sie auf Tinder "erwischt" wurde. Ihr lakonischer Kommentar: "Auch Schönheitsköniginnen fühlen sich einsam." (Fabian Kretschmer, DER STANDARD, 8.3.2014)