"Mehr reale Welt, weniger virtuelle Welt. Das ist ein Satz, den ich unterschreiben würde", sagt Großvater Helmut Hubeny.

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STANDARD: In Ihrer Wohnung gibt es vier Computer, aber keinen Fernseher. Eine bewusste Entscheidung?

Brigitta Höpler: Ich bin schon ohne Fernseher aufgewachsen, habe manchmal damit gehadert, später hab ich es cool gefunden. Seit wir Internet in der Wohnung haben, ist es ohnehin egal, und niemand vermisst irgendetwas.

Ruth Höpler: Heute findet man alles im Internet, da braucht man keinen Fernseher mehr.

STANDARD: Sie wurden 1996 geboren und können sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie es ist, ohne Internet zu leben. Was macht es aus, ein Digital Native zu sein?

Ruth Höpler: Ich musste nicht wirklich lernen, mit dem Internet umzugehen. Ich bin damit aufgewachsen und wusste oft schon vor meinen Eltern, wie bestimmte Dinge funktionieren, weil ich sie einfach ausprobiert habe.

Hubeny: Ich hatte Anfang der 90er die ersten Erfahrungen mit einem PC. Damals habe ich mir in meinem Tagebuch notiert, dass ich mich fühlte wie bei Alice im Wunderland. Eine bunte, weite Landschaft, die einem da plötzlich offenstand. Einige Jahre später kam dann das Internet, und ich habe mit E-Mails begonnen.

Brigitta Höpler: Bei mir war es auch eine E-Mail. Wir saßen bei Freunden, die schon Internet hatten. Eine gemeinsame Bekannte lebte in London, und plötzlich hieß es, wir schreiben ihr. Ich hab das irrsinnig aufregend gefunden. Reinschreiben und wegschicken? Das kommt an? Ich habe mich gefühlt wie meine Großmutter. Sie hat damals noch ausgemacht, wann ihr Sohn aus Amerika anruft.

STANDARD: Ruth, Sie gehen in die siebente Klasse und machen nächstes Jahr Matura. So ganz ohne Recherche im Internet - können Sie sich vorstellen, wie man früher Referate vorbereitet hat?

Ruth Höpler: Nein, selbst wenn ich Bücher suche, schaue ich im Internet, wo ich sie herbekomme.

Brigitta Höpler: Da hat sich viel verändert. Ich glaube, dass unsere Referate damals viel eindimensionaler waren. Wir haben pro Referat ein, zwei Bücher gelesen, das war's auch schon.

STANDARD: Ist es heute einfacher für die Jugendlichen, sich Wissen anzueignen?

Hubeny: Die Bibliothek Internet ist natürlich faszinierend. Als ich meine Diplomarbeit verfasst habe, mussten wir Kollegen auf der Uni anschreiben und um Sonderdrucke gewisser Arbeiten bitten. Heute kann man die Informationen im Internet abrufen. Die Zugänglichkeit ist viel einfacher, nicht nur im fachlichen Bereich, auch bei täglichen Dingen: Fahrpläne, Wetterbericht, Kinoprogramm. Wenn ich heute ein Wort nicht kenne, schlage ich nicht in Büchern nach, sondern tippe es ein. Google weiß alles.

STANDARD: Sie sind in Ihrem Alter eher die Ausnahme. Muss Ihre Enkelin manchmal aushelfen, wenn Sie mit Ihrem Wissen anstehen?

Hubeny: Auf so große Dinge lasse ich mich nicht ein. (lacht) Aber es gibt schon Situationen, wo ich mich unglaublich ärgern muss. Dass jede neue Version irgendeines Office-Programms dieselben Dinge irgendwo anders versteckt und man wieder neu anfangen muss. Das sind meine Grenzen.

STANDARD: Wenn Sie erklären müssten, was das Internet ist, was würden Sie sagen?

Ruth Höpler: Es ist eine riesige Datenbank, es gibt keinen Ort, man kann es auch nicht angreifen. Es dient jedenfalls zur Kommunikation.

STANDARD: Wie verwenden Sie es?

Ruth Höpler: Ich schaue schon sehr oft aufs Handy, auf Facebook, oder ich lese Nachrichten. Außerdem verwende ich WhatsApp, Line, Snapchat.

Hubeny: Was ist das?

Ruth Höpler: WhatsApp funktioniert ähnlich wie eine SMS, nur über das Internet. Man kann auch Gruppenchats eröffnen.

STANDARD: Wäre das was für Sie?

Hubeny: Sicher nicht, das mag ich nicht. Ich bin einmal Facebook beigetreten, das war 2006. Mein Patenkind hat mich eingeladen, und ich hab mir gedacht, so komme ich mit ihm ins Gespräch. Später haben sich auch die Enkelinnen angemeldet. Wir sind zwar Freunde geworden, aber ich durfte nichts anschauen. Ich habe mitbekommen, dass es gar nicht cool ist, wenn der Opa mitliest. Ich habe mich dann auf Farmville, auf dieses Spiel, eingelassen. So intensiv! Ich habe in Amerika, in Australien lauter alte Tanten gefunden, die das auch spielten. Wir haben uns gegenseitig beschenkt. Das ging so weit, dass ich im Urlaub am Traunsee in der Nacht aufgestanden bin, um meine virtuellen Pflanzen zu gießen.

STANDARD: Das klingt schon fast nach Internetsucht!

Hubeny: Ich habe Stunden im Internet verbracht. Ich hab dann einen geordneten Rückzug gemacht, bin aber nicht blind ausgestiegen, sondern habe alle meine Pflanzen rückgebaut, habe mich bei allen Freunden höflich verabschiedet und mich bei Facebook gelöscht.

Ruth Höpler: Ich wusste, dass du dabei warst. Aber so! Das hast du nicht erzählt!

STANDARD: Sie nutzen Facebook hauptsächlich beruflich.

Brigitta Höpler: Ja, anfangs habe ich es verweigert, weil ich es blöd fand, wenn Leute die Fotos ihrer Kinder draufgestellt haben. Dann hat mich eine Künstlerin angesprochen, die meine Webseite kennt, und gesagt, dass Facebook was für mich wäre. Ich war skeptisch, habe mich dann aber angemeldet und nutze seither Facebook als Erweiterung meiner Webseite weitgehend beruflich.

STANDARD: Nicht zuletzt anlässlich des Megadeals, als Facebook WhatsApp kaufte, werden Datenschutzbedenken laut. Ist das in der Schule ein Thema?

Ruth Höpler: Eigentlich nicht, da kam in der Schule wenig. Ich hab einmal ein Referat über Facebook gehalten, aber in Informatik haben wir das Internet nicht wirklich angesprochen. Das ging eher über die Eltern, die mir das vermittelt haben.

STANDARD: Achten Sie darauf, was Sie im Internet posten?

Ruth Höpler: Ich hab schon geschaut, dass ich die Privatsphäreneinstellungen so sicher wie möglich hab. Ich poste auch nicht so viele Sachen, sondern schaue eher, was die anderen machen.

STANDARD: Es gibt auch schon Gegenbewegungen, Leute, die internetfasten und bewusst offline gehen. Würde Sie das reizen?

Ruth Höpler: Ich habe einmal mit meinen Freundinnen darüber gesprochen, dass es ein bisschen schade ist, weil man mehr machen könnte, als dauernd irgendwelchen Leuten zu schreiben. Das lenkt einen schon ab.

Brigitta Höpler: Ihr seht das durchaus kritisch.

Ruth Höpler: Mir ist schon bewusst, dass ich das Internet viel benutze.

STANDARD: Wird es irgendwann auch wieder weniger Internetnutzung geben?

Hubeny: Nein. Zurück geht sowieso nichts, das lehrt mich die Lebenserfahrung.

Ruth Höpler: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch mehr wird. Vielleicht wird es in der Schule mehr genutzt.

Brigitta Höpler: Das hab ich mir bei meiner ersten E-Mail auch gedacht. Ich frage mich ja immer, was passiert, wenn das weltweite Netz zusammenkracht. Weil irgendwelche Server überlastet sind oder Terroristen einen Cyberkrieg anzetteln. Dann geht nichts mehr. Ich wünsche mir daher, dass es auch weiterhin möglichst viel Reales gibt.

Hubeny: Auch bei mir kommen beim Blick in die Zukunft eher negative Gefühle hoch. Viele Entwicklungen sind eher beängstigend. Man soll ja jetzt mit Brillen im Internet surfen können. Mehr reale Welt, weniger virtuelle Welt, das ist ein Satz, den ich sofort unterschreiben würde.

STANDARD: Wenn einen Tag lang das Internet nicht funktionieren würde, wo würden Sie es merken?

Ruth Höpler: Gleich in der Früh. Da schaue ich zum ersten Mal auf Facebook.

Hubeny: Ich hätte keine neuen E-Mails, das würde mich wundern.

Brigitta Höpler: Einmal hatten wir in der Wohnung Serverprobleme, das hat mich ganz hektisch gemacht, weil ich Anmeldungen für Veranstaltungen erwartet habe. An solchen Tagen bin ich grantig. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 8.3.2014)