Foto: WebStandard

In einigen Jahren wäre die Debatte um die Fußgängerzone in der Wiener Mariahilfer Straße vielleicht weniger irrational ausgefallen. Wenn dann die Konzepte eines Internets der Dinge, an denen heute gearbeitet wird, etabliert sind, werde man Entscheidungsprozesse in einer Stadt viel besser koordinieren können, erklärt Schahram Dustdar vom Institut für Informationssysteme der TU Wien. "Wenn Fakten wie Luftqualität und Bewegungsströme von Personen und Fahrzeugen - auch Fahrrädern - in Echtzeit zur Verfügung stehen, hat man ganz andere Möglichkeiten", sagt Dustdar. Dynamische Zufahrtszeiten wären möglich, die sich nach der momentanen Lage, nach Verkehrs-, Lärm- und Abgasbelastung richten. Autofahrer würden per Bordcomputer im Wagen dann entsprechend dirigiert werden.

Digitales Nervensystem

Künftig werden die Dinge des Alltags also nicht mehr "autistisch in der Ecke stehen und auf Kommandos warten", wie es Dustdar formuliert. Wenn Häuser und Autos, Heizkörper und Verkehrszeichen und, ja, auch die Kaffeemaschinen einen "Softwarebruder" bekommen, der sich mit seinen Geschwistern in der Umgebung austauschen kann, dann können sie selbsttätig zusammenarbeiten und auf Veränderungen in ihrer Umgebung reagieren.

Der Umbau der Städte zu Smart Cities, deren Gebäude über ihre Software-Abbilder vernetzt sind, ist voll im Gange. Dustdar arbeitet etwa daran, 60.000 Gebäude in Dubai mit entsprechenden Datenschnittstellen auszustatten. "Im Menschen regelt ein autonomes Nervensystem die Funktion der Organe und Sinne", sagt er. "In den Städten wird das ähnlich sein." Die Infrastruktur managt die Verkehrsströme und setzt Energie nur dort ein, wo sie benötigt wird.

Das Nervensystem der Stadt verästelt sich dabei tief in die Gebäude hinein. Rolltreppe und Feueralarm, Klimaanlage und Lift sprechen sich ab und beeinflussen sich gegenseitig. "Bereiche, die bisher isoliert betrachtet wurden, werden in ein Gesamtbild integriert", erklärt Dustdar. "Das erhöht den effizienten Umgang mit Ressourcen und Energie beträchtlich."

Der Lift meldet also dem Klimasystem, auf wie viele Personen es sich in einem Stockwerk einstellen muss. Energie aus den Solarzellen auf dem Dach wird zwischen Gebäuden gezielt ausgetauscht, zwischengespeichert oder jenen Systemen zugeführt, die eigenständig Bedarf melden. Werden Unregelmäßigkeiten wie etwa plötzliche Temperaturveränderungen erkannt, versucht das System selbst die Fehlerquelle zu finden.

Eine derartige Umgebung wird nicht nur vernetzbar und konfigurierbar, man kann auch Suchanfragen an sie stellen. "Wenn ich Informationen über einen behindertengerechten Weg in ein Gebäude haben möchte, suche ich nicht mehr Informationen über die Infrastruktur. Ich befrage die Struktur selbst", sagt Dustdar. Als individuelle Kommandozentrale, die vom Türschloss bis zur Waschmaschine persönliche Dinge konfiguriert, wird das Smartphone dienen. Die persönlichen Daten laufen dort ohnehin schon zusammen.

"Wir müssen uns überlegen, was die ideale Infrastruktur ist, um Menschen mit Informationen und Energie zu versorgen, und wie viel Macht wir dabei den Maschinen überlassen"

Aber ist diese Schattenwelt aus kommunizierenden Maschinen nicht auch ein potenzieller Unsicherheitsfaktor? "Wir müssen uns überlegen, was die ideale Infrastruktur ist, um Menschen mit Informationen und Energie zu versorgen, und wie viel Macht wir dabei den Maschinen überlassen", sagt Dustdar. Wollen wir eine effiziente Struktur, die alle Daten zentral für detaillierte Entscheidungsprozesse aufbereitet? Wollen wir, dass ein Land nicht verwaltet, sondern konfiguriert wird?

Die Geschwindigkeit des Wandels werde jedenfalls zunehmen, ist Dustdar überzeugt. "Die Generation, die jetzt aufwächst, hat ein anderes Technologieverständnis als jene davor." Prototypen von selbstfahrenden Autos gibt es bereits. Ihre Massentauglichkeit hängt aber auch von einer sozialen Akzeptanz ab. "Ab einem gewissen Punkt könnte es recht schnell gehen", sagt Dustdar. Wenn etwa eine Stadt wie New York beschließen würde, nur mehr selbstfahrende Autos als Taxis einzusetzen, und viele Menschen aus vielen Teilen der Welt damit in Kontakt kommen, könnte das die Sache enorm beschleunigen. An autonom steuernde öffentliche Verkehrsmittel vom Bus bis zum Flugzeug müssten sich Menschen erst noch gewöhnen. Bei U-Bahnen und Terminal-Trains auf Flughäfen ist der Schritt schon getan.

Auch die Einbindung des Körpers in die vernetzte Welt ist ein heikler Punkt. Man könnte sein Leben "loggen", Daten zu jeder physischen Aktion - Laufen, Stiegensteigen, Schlafen - aufzeichnen und tägliche Statistiken auswerten. Man könnte die Daten mit ärztlichen Befunden und genetischer Information verknüpfen, Risiken und Potenziale ermitteln. Man könnte die Daten mit Versicherungssystemen, die Prämie an den Lebensstil koppeln. - Eine Vision, die eine zukünftige Generation vielleicht weniger abschreckt als die gegenwärtige. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 8.3.2014)