Was erfahren wir am diesjährigen Internationalen Frauentag über die Situation der Frauen in Österreich und in der Welt? Frauen arbeiten immer mehr in Teilzeitjobs; die Teilzeitquote insgesamt geht hinauf; dafür wird die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen größer (no na); überhaupt liegt Österreich beim Gender-Pay-Gap an vorletzter Stelle in der EU. Weibliche Aufsichtsräte? Mit der Lupe suchen. Mehr Männer in Karenz? Zähe Angelegenheit. Es ist zum Augenrollen und Resigniert-Schulterzucken: Tausendmal gehört, tausendmal angeprangert, tausendmal ist nix passiert.

Eine Untersuchung freilich ließ diesmal aufhorchen: die umfangreiche Gewaltstudie der EU-Agentur für Grundrechte. Deren Ergebnisse zeigen ein Problem gewaltigen Ausmaßes. Demnach soll jede dritte Frau in der Union, hochgerechnet etwa 62 Millionen Mädchen und Frauen, schon einmal physische und sexuelle Gewalt erlebt haben - insbesondere häusliche Gewalt. Das ist kein "Frauenproblem" - das ist ein gesamtgesellschaftliches Übel. Offenbar schaffen wir es nicht, Stresssituationen, Probleme und Konflikte zu meistern, ohne die Menschenrechte anderer (Schwächerer) dabei gröblichst zu verletzen. Das war wohl schon immer so, ist wahrscheinlich kein neues Phänomen.

Doch im Gegensatz zu früher kann man heute mehr tun, als mit dem Problem ganz allein fertigwerden zu müssen: Es gibt professionelle Hilfe für Opfer und Täter - und es ist längst keine Schande mehr, psychologische, psychotherapeutische oder psychiatrische Hilfe zu suchen, wenn man nicht mehr weiterweiß. Es gibt Messinstrumente und Methoden, mit denen Politik und Behörden der Sache auf den Grund gehen können - und auch müssen. Handelt es sich um ein wachsendes Problem? Was kann der Gesetzgeber unternehmen? In Österreich gilt zumindest Vergewaltigung in der Ehe als Verbrechen, es gibt Wegweiserecht, Anti-Stalking-Gesetz und vieles mehr.

Aber die Regelungen in den EU-Mitgliedsstaaten sind höchst unterschiedlich. Viele Staaten haben die Europaratskonvention zum Schutz gegen häusliche Gewalt noch nicht einmal ratifiziert - so fehlen etwa Polen, Tschechien, Ungarn, aber auch Deutschland.

In Österreich bleibt auch noch viel zu tun: In der ärztlichen Ausbildung müssen das Erkennen von und Reagieren auf gewalttätige Verletzungen fixer Bestandteil sein. Polizisten, Pädagogen und Betreuern muss beigebracht werden, bei Verdacht auf Gewalt lieber einmal öfter hin-, als einmal zu oft wegzuschauen.

Darüber hinaus wäre es hoch an der Zeit, das Problem an einer nur scheinbar völlig anderen Wurzel zu packen. Stimmt das Gleichgewicht zwischen Arbeit, Freizeit und Familie? Wie belastet sind Menschen, und welche Folgen hat das? Eine Untersuchung der Europäischen Kommission vor drei Jahren ergab, dass 60 Prozent aller Europäer sich in ihrem Beruf über längere Perioden wie in einem "Druckkochtopf" fühlten. Wer permanent unter Druck steht, droht zu explodieren, unabhängig vom Geschlecht. Die Folgen sind immer verheerend.

Dieses Thema anzupacken wäre doch eine schöne Aufgabe, besonders für die (männlich dominierten) Sozialpartner. Sie müssten dafür nur ihren Mitgliedern einmal richtig zuhören: Das Problem der permanenten Überforderung eint Männer und Frauen wie kaum ein anderes. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 8.3.2014)