"Marina Hall", "Riviera Hall", "Gaudi Room" oder "Théatre Claude Debussy" heißen die Räumlichkeiten, in denen sich die Immobilienwelt alljährlich im März über Trends und Investmentgelegenheiten den Kopf zerbricht. Und diese Räume wiederum befinden sich in einem Gebäudekomplex, dessen voller Name "Palais des Festivals et des Congrès" lautet und der mit seinen unzähligen Gängen, dunklen Vortragssälen sowie einigen heimlichtuerischen, fast beichtstuhlartig anmutenden, diskreten Separees auf einer kaum abschätzbaren Anzahl an Ebenen (es sind laut Plan sechs, gefühlt aber weit mehr) sehr oft schlicht und ergreifend "Bunker" genannt wird. Denn dafür gibt es noch einen weiteren Grund, und wahrscheinlich ist er der trefflichste: Die größte Ausstellungshalle für die Mipim befindet sich auf Ebene -1 und damit sozusagen unter Tage.
Vom alten zum neuen Palais
Und das ist jetzt schon seit 25 Jahren so, denn das Palais des Festivals ist älter als die Mipim; nämlich um acht Jahre. 1982 wurde das Palais eröffnet, 1990 fand die erste Mipim statt.
Doch die ganze Geschichte beginnt natürlich noch wesentlich früher. Am heutigen Standort des Palais zwischen dem Alten Hafen und dem Boulevard de la Croisette befand sich einst das Alte Kasino des Architekten Camille Mari. Es wurde im Jänner 1907 eröffnet und zwölf Jahre später erweitert. 1930 folgte eine umfassende Modernisierung durch den Architekten Roger Séassal.
Um den Bau dieses Alten Kasinos wurde heftig gerungen: Acht Projektideen standen zur Auswahl, doch dem äußerst einflussreichen russischen Großfürsten Michail Michailowitsch Romanow, der wegen Schließung einer unstandesgemäßen Ehe auf Lebenszeit aus Russland verbannt worden war und sich deshalb 1899 in Cannes niedergelassen hatte, war keine davon recht. Vermutlich wollte der Großfürst, der in Cannes gemeinsam mit seiner Gattin Gräfin Sophie von Merenburg eine Villa bewohnte (die nach dem dritthöchsten Berg Georgiens "Kazbek" genannt wurde), das Geschäft selbst machen; neben seinem Engagement für die Errichtung der russisch-orthodoxen Kirche Erzengel Michael in Cannes - sie befindet sich östlich der Altstadt am Boulevard Alexandre III. - soll sich Romanow nämlich laut Wikipedia vor allem für Hotels und Kasinos interessiert haben.
Doch wir schweifen ein wenig ab. Die Konzession zum Bau des Alten Kasinos vergab der Stadtrat von Cannes schließlich 1905 an Henri Ruhl, den Direktor des Pariser Hotel Scribe.
Filme und so weiter
Im Alten Kasino fanden 1946 übrigens auch die ersten internationalen Filmfestspiele statt. Kurz danach beschloss der Stadtrat allerdings, dafür ein eigenes Festspielgebäude an der Croisette zu errichten. Es wurde 1949 eingeweiht und war 1959 und 1961 auch Austragungsort des Eurovision Song Contests. Leider existiert dieses Gebäude nicht mehr; es war dort, wo heute das Hotel JW Marriott (eröffnet 1992) steht.
Dem Alten Kasino war ein etwas längeres Leben beschieden, doch auch dieses war ab 1979 dem Tode geweiht. Damals beschloss die Stadtregierung, am Standort des Kasinos ein neues Palais zu errichten. Geplant wurde er von den Architekten Sir Hubert Bennett und François Druet. 1982 wurde das neue Palais mit 25.000 Quadratmeter eröffnet, 1999 nochmals um 10.000 Quadratmeter bzw. dem Espace Riviera erweitert; dazu gehört im Wesentlichen der hinter dem Hauptgebäude liegende Rundbau Rotonde Riviera. Wiederum sechs Jahre später, 2005, wurde ebendiese Rotonde neu gestaltet und erweitert, außerdem kleinere Ausbesserungs- und Erweiterungsarbeiten am Hauptgebäude vorgenommen; unter anderem bekam der westliche Teil des Palais - mit Blick auf den Hafen - damals eine neue Glaswand.
Baudenkmal seit 2001
Seit 2001 steht das Palais des Festivals auf der Liste der französischen Baudenkmäler und damit quasi unter Denkmalschutz. Für den gelben Anstrich galt dieser freilich nicht: Er wurde im Zuge der vorletzten Sanierungsetappe von 2009 bis 2011 gegen ein strahlendes Weiß getauscht.
Auch derzeit wird am Palais wieder herumgedoktert, aktuell ist man etwa dabei, die gesamte Haustechnik zu modernisieren. Außerdem wird um ein Gesamtbudget von 22,7 Millionen Euro auch die Fassadenbeleuchtung erneuert und ein neuer, 260 Quadratmeter großer Raum in Betrieb genommen. Die Arbeiten sind auf die Sommermonate beschränkt, um den Konferenzplan nicht zu beeinträchtigen. Für die Verwaltung des Palais ist seit 1992 Semec zuständig, eine gemeinsame Firma dreier Vereine unter Kontrolle der Stadt. Sie verfügt über ein Budget von 2,4 Millionen Euro, das zu 80 Prozent aus öffentlichen und zu 20 Prozent aus privaten Kassen gespeist wird. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 8.3.2014)