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Eine Demonstration in Berlin gegen die Zulassung von Genmais 419, getragen von starken Emotionen.

Foto: EPA/Carstensen

Mein ALBUM-Essay „Galileos Feinde unter uns“, in der ich zu einer streng wissenschaftlichen Beurteilung von Themen wie Klimawandel, Gentechnik und Homöopathie aufrief, hat unter Lesern und Usern heftige Reaktionen ausgelöst. Vor allem beim Thema Gentechnik wurde mir vorgeworfen, die vielen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit genveränderter Pflanzen zu ignorieren – sei es, weil ich blind oder von Agrokonzernen gekauft worden sei.

Wohlmeinende Kritiker schickten mir zahlloses Material zu, das ich studieren sollte. Das bestand ausschließlich aus Webseiten und Berichten von Umweltorganisationen und Dokumentarfilmen, die die Gentechnik anprangern. Das war alles beherzt und engagiert, aber erfüllte keinerlei Kriterien der Objektivität und Wissenschaftlichkeit.

Bericht über Genmais in Brasilien

Kurz darauf erschien auf derStandard.at ein Bericht über massive Umweltprobleme bei Genmais in Brasilien, wo Gentechnik breite Anwendung findet. Ob ich nicht nun endlich meine Meinung ändern werde, wurde ich von aggressiven Telefonanrufern und etwas freundlicheren E-Mail-Schreibern gefragt, darunter auch von einem Professor an der Universität für Bodenkultur.

Nun: Ich bin kein Gentechnik-Fanatiker und habe weder persönliche noch finanzielle Verbindungen zur Wissenschaft oder Industrie. Ich bin auch gerne bereit, meine grundsätzlich positive Meinung zu ändern, wenn ich mit überzeugenden, wissenschaftlich abgesicherten Hinweisen auf unakzeptable Risiken konfrontiert werde. Dies ist bisher nicht geschehen. Und der Bericht über Brasilien hat mir erneut gezeugt, wie wenig fundiert das Material der Kritiker ist.

Gut gemachter Kampagnenjournalismus

Der Standard-Bericht beruht auf einer Sendung vom ARD/BR mit dem Titel „Die EU und der Wundermais: Die zweifelhaften Versprechen der Genlobby“. Es ist Stück gut gemachter Journalismus, aber wie der Titel schon sagt, Kampagnenjournalismus, der keine ausgewogene Darstellung eines Problems versucht, sondern den Zuseher von einer Sache überzeugen will.

Der Kronzeuge des Berichtes ist Antonio Andrioli, ein deutsch sprechender brasilianischer Agrarwissenschaftler, der durch die Sendung führt und beschreibt, wie die Pioneer-Maisssorte 1507, die selbst ein Gift gegen Schädlinge erzeugt und deshalb Spritzmittel überflüssig machen sollte, nach nur drei Jahren Einsatz in Brasilien bereits resistente Raupensorten hervorgebracht hat, weshalb die Bauern nun erst recht spritzen müssen.

Ein Anti-Gentechnik-Aktivist

Das klingt erschreckend. Allerdings ist Professor Andrioli kein nüchterner, unabhängiger Experte, sondern ein Anti-Gentechnik-Aktivist, der bereits vor fast einem Jahrzehnt das Buch „Die Saat des Bösen: Die schleichende Vergiftung von Böden und Nahrung“ geschrieben hat. Die große Mehrheit der brasilianischen Biologen teilt seine Meinung nicht.

Und auch im ARD-Beitrag präsentiert Andrioli keine Studien, sondern gibt Erzählungen von Bauern wieder. Eine solche anekdotische Beweisführung ist in der Wissenschaft zu Recht verpönt.

Nun würde ich genauso wenig den Ausführungen eines für Monsanto oder Pioneer arbeitenden Experten Glauben schenken. Aber Kritiker der Gentechnik stützen sich die ganze Zeit auf Zeugen, die ebenso einseitig und voreingenommen sind.

EU-Experten sehen das anders

Auf der Suche nach glaubwürdiger Information würde ich einer wissenschaftlichen Institution den Vorzug geben, die von demokratischen Regierungen eingesetzt ist, unter denen viele der Gentechnik sehr skeptisch gegenüber stehen, und die sich deshalb keinerlei Parteinahme leisten kann.

Etwa die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), deren Forscher bisher keine Gefährdung von Gesundheit oder Umwelt durch Genmais 1507 feststellen konnten.

Pharmazie wurde nicht abgeschafft

Ich würde mir auch von einem Boku-Professor erwarten, dass er solchen Stellen mehr vertraut als einem Aktivisten, der inzwischen den Kampf gegen Gentechnik zu seinem Lebenszweck gemacht hat.

Ich gehe noch einen Schritt weiter. Selbst wenn ein bestimmtes Gentechnik-Produkt als riskant oder schädlich erkannt wird – was bisher nicht geschehen ist -, wäre das kein Grund, die gesamte Methode zu verbieten. Zahlreiche Flugzeugabstürze in den 1950er- und 1960er-Jahren haben nicht dazu geführt, dass die zivile Luftfahrt gestoppt wurde. Es wurde nur intensiv an besserer Sicherheit gearbeitet.

Und auch nach der Contergan-Tragödie Anfang der 1960er-Jahre wurde nicht die Pharmazie eingestellt, sondern es wurden Tests und Kontrollen verstärkt.

Einladung zum Userforum

Ich lade alle meine Kritiker, die sich über mich empören, ein, mich mit fundierten Argumenten zur Gentechnik zu konfrontieren. Ich bin kein Naturwissenschaftler, weiß aber genug über wissenschaftliche Methoden, um die grundsätzliche Seriosität und Qualität von Studien abschätzen zu können.

Ich glaube, eine ernsthafte, nicht von Polemik und Zorn getragene Diskussion kann allen Seiten nützen. Aus diesem Grund nehme ich am Montag von 11 bis 12 Uhr an einem Userforum zum Thema Gentechnik auf derStandard.at teil und würde mich über reges Interesse freuen. (Eric Frey, derStandard.at, 9.3.2014)