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Maria Vassilakou: "Wir müssen uns in den nächsten zwei Jahren breiter aufstellen."

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Die eigentliche Arbeit auf der Mariahilfer Straße beginnt erst, sagt die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Tag nach Bekanntwerden der Ergebnisse der Anrainerbefragung. Das Votum fiel mit 53,2 Prozent pro Fußgängerzone knapp aus. Am Mittwoch lädt sie die Klubobmänner von SPÖ, ÖVP und FPÖ zum Gipfel ins Rathaus. Auch Bürgermeister Michael Häupl könne teilnehmen. Er sagte am Freitagabend, dass Vassilakou den Termin mit der SPÖ nicht akkordiert habe.

Die SPÖ hat sich in den Wochen vor der Anrainerbefragung auffällig zurückgehalten. Die Grüne Parteichefin sieht keine Krise in der rot-grünen Stadtregierung: "Ich halte fest, dass wir nach drei Jahren bereits 80 Prozent der Vorhaben umsetzen konnten. Also funktioniert die Zusammenarbeit." Alles andere seien Befindlichkeitsdiskurse. Vassilakou möchte in den eineinhalb Jahren bis zur Wien-Wahl, die plangemäß im Herbst 2015 stattfinden soll, das Themenspektrum der Grünen erweitern. Sie fordert eine Mietrechtsreform und Änderungen bei der Mindestsicherung. "Die Grünen sind nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Bewegung", sagt sie zu Rosa Winkler-Hermaden.

derStandard.at: Bürgermeister Michael Häupl hat Ihnen nach Bekanntwerden des Ergebnisses zur Verkehrsberuhigung via SMS gratuliert. Was ist drinnen gestanden?

Vassilakou: Er freut sich über das Ergebnis und hat mir zu diesem Erfolg gratuliert.

derStandard.at: Am Mittwoch folgt der Gipfel zur Mariahilfer Straße. Warum haben Sie ihn nicht eingeladen?

Vassilakou: Der Bürgermeister hat das Recht, an jedem Treffen teilzunehmen, das ihm sinnvoll und wichtig erscheint. Es geht jetzt darum, mit der Opposition, sprich mit den Kritikern des Projekts, zusammenzukommen, um mit ihnen gemeinsam zu überlegen, welche Anliegen wir noch berücksichtigen können. Die Spaltung soll überwunden werden.

derStandard.at: Welche Dinge gibt es noch zu klären? Was ist unklar beim Umbau?

Vassilakou: Es hat viele Anliegen gegeben. Ob Kritiker oder Gegner des Projekts - viele haben darauf hingewiesen, dass es sinnvoll wäre, in der Begegnungszone mit dem Auto halten zu können, um kurze Ladetätigkeiten verrichten zu können. Es gab den Ruf nach mehr Kiss&Ride-Parkplätzen und den Vorschlag, in der Nacht in der Begegnungszone das Parken für Anrainer zu ermöglichen. Das sind nur einige Beispiele. Ich gehe aber davon aus, dass die Herren von der Opposition mit ihren eigenen Ideen zum Gipfel kommen werden.

derStandard.at: Häupl fordert Sicherheitsmaßnahmen für Radfahrer. Wie können diese aussehen?

Vassilakou: Wir starten jetzt vor Beginn der Radsaison mit einer Aufklärungsoffensive und werden wieder in Erinnerung rufen, dass in der Fußgängerzone Schritttempo gilt und dass es auch ernst gemeint ist. Es wird wieder Transparente und die mobile Geschwindigkeitsanzeige geben. Insgesamt wird es in der Stadt eine Fairness-Kampagne für mehr Rücksicht im Verkehr geben. Sie adressiert in erster Linie Radfahrer, aber auch Autofahrer und Fußgänger. 

derStandard.at: Nach Bekanntwerden des Ergebnisses haben die Grünen sehr euphorisch reagiert, gleichzeitig hat es auch schadenfrohe Anspielungen in Richtung SPÖ gegeben, weil sich der Regierungsspartner in den letzten Wochen gar so zurückgezogen hatte. Wie geht es der Koalition?

Vassilakou: Wesentlich in einer Koalition ist, ob man fähig ist, das Regierungsabkommen umzusetzen. Ich halte fest, dass wir nach drei Jahren bereits 80 Prozent umsetzen konnten. Also funktioniert die Zusammenarbeit. Alles andere sind Befindlichkeitsdiskurse. Die sind zulässig aber völlig irrelevant.

derStandard.at: Wäre das Ergebnis nicht noch eindeutiger ausgefallen, hätte Sie die SPÖ mehr unterstützt?

Vassilakou: Ich weiß es nicht. Was nutzen mir Hätti-Wari-Debatten?

derStandard.at: Sie sagen 80 Prozent des Koalitionsabkommens sind schon erfüllt. Was sind denn die 20 Prozent, die noch offen sind? Was kommt in den nächsten eineinhalb Jahren?

Vassilakou: Die eigentliche Arbeit auf der Mariahilfer Straße beginnt erst. In diesem Sommer starten  auch der Bau der Wiental-Terrassen und die Neugestaltung der Meidlinger Fußgängerzone. Es gibt Wünsche nach Verkehrsberuhigungsprojekten jenseits der Donau. Ich möchte jetzt auch die Zeitpotentiale, die ich wieder habe, nutzen, um auf Ursula Stenzel zuzugehen; mit dem Ziel den Schwedenplatz wieder anzugehen. Wir müssen uns einen Ruck geben, das kann ja nicht sein, dass da nichts passiert.

derStandard.at: Mit Blick auf die Wien-Wahl 2015 wird es aber auch Themen abseits des Verkehrs geben müssen, mit denen Sie sich positionieren werden.

Vassilakou: Ich sehe zwei große Bereiche. Zum einen die Teuerung der Mieten im Altbausegment. Hier gilt es zu handeln. Die neue Bundesregierung ist seit mehreren Monaten im Amt, hat eine Mietrechtsreform versprochen, von der weit und breit nichts zu vernehmen ist. Ich denke, dass wir seitens der Stadt Wien darauf pochen und drängen müssen, dass sie angegangen wird. Da muss Wien ein gewichtiges Wort mitreden.

derStandard.at: Was soll die Reform beinhalten?

Vassilakou: Es muss vernünftige, transparente Regeln geben, wie man die Richtwertmieten begrenzt. Dem munteren Erfinden von Zuschlägen, die mit sich bringen, dass die Mieten mehr als das Doppelte ausmacht, muss ein Riegel vorgeschoben werden. Das muss sofort angegangen werden.

derStandard.at: Bis wann rechnen Sie mit Ergebnissen?

Vassilakou: So schnell wie möglich. Ich wundere mich, warum die Regierung damit noch nicht begonnen hat. Mit jedem Quartal lesen wir die neuen Teuerungsmeldungen. Damit bin ich bei meinem zweiten Punkt, der wichtig ist für die Stadt: die Zukunft der Mindestsicherung.

derStandard.at: Es gab viel Kritik über die Umsetzung in der Praxis, unter anderem von der Volksanwaltschaft.

Vassilakou: Unabhängig der kritischen Stimmen: Die Anzahl der Alleinerziehenden steigt und die Wirtschaftskrise hat Spuren hinterlassen. Wie wir Menschen, die mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, substantiell Sicherheit bieten können, ist ein zentrales Thema für die Städte. Hier haben die Grünen viel Know-How und das nötige Engagement. Wir müssen uns in den nächsten zwei Jahren breiter aufstellen. Die Grünen sind nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Bewegung. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 8.3.2014)