Ernst Arnold Egli hätte das alles gar nicht gefallen. In seinem Park, den er Mitte der 1930er-Jahre auf Geheiß des Republikgründers erweiterte, steht jetzt ein Palast-Rohbau von zentralasiatischem Ausmaß. 150.000 Quadratmeter, acht bis zehn Stockwerke hoch, zwei ewig lange Flügel, dazwischen das Hauptgebäude, in dem der Republikfortführer wohl residieren, auf jeden Fall aber empfangen wird. Das Weiße Haus passt geschätzt fünf Mal hinein, vom österreichischen Bundeskanzleramt wollen wir gar nicht erst reden. Architekt Egli hatte seinerzeit eher an Kieferbäume gedacht, Tayyip Erdogan an Türkpower und die weitere Gestaltung des 21. Jahrhunderts.

In der Atatürk Waldfarm (die Webseite funktioniert verdächtigerweise schon nicht mehr), nördlich vom Zentrum der türkischen Hauptstadt wird seit gut einem Jahr gebaut, was das Zeug hält. Der neue Amtssitz des türkischen Regierungschefs kommt dorthin, wo Kemal Atatürk zuerst sich selbst, 1937 dann seinem damals noch neuem Hauptstadtvolk einen Park beschert hatte, mitangelegt vom österreichischen Stadtplaner Egli. Das finden die heutigen Kemalisten natürlich wenig erfreulich und ebenso Leute, die gern einmal etwas Grünes in der zentralanatolischen Pampa sehen.

Vor Gericht haben sie dieser Tage einen Sieg über den Bauherren Erdogan errungen. Die Herabstufung des Parkgeländes von einem geschützten Naturgebiet ersten Grades zu einem dritten Grades Anfang 2012 sei nicht rechtens gewesen, stellte der Richter fest. Die Bauarbeiten an dem doch schon recht fortgeschrittenen neuen Amtssitz des Premiers müssten demnach sofort gestoppt und der Rohbau abgerissen werden. Das ist natürlich nicht der Fall, ebenso wenig wie beim dritten Flughafen in Istanbul, der ebenfalls einem Baustopp unterliegt, weil irgendeine umweltrechtliche Kleinigkeit in all der Eile übersehen worden war – Trinkwasserversorgung der Stadt, Massenabholzung oder Ähnliches. Während die Regierung Einspruch einlegt, wird weiter Beton gemischt.

Eine kleine Unsicherheit hat es bei dem neuen Amtssitzprojekt immer gegeben: Wer soll dort eigentlich mit seiner Tausendschaft einziehen, wenn Tayyip Erdogan doch im Sommer dieses Jahres ins Präsidentenamt wechselt?

Die seit bald drei Monaten schwelende Korruptionsaffäre hat ein neues Szenario erbracht: Erdogan bleibt Regierungschef, das Parteistatut mit der Nicht-mehr-als-drei-Amtszeiten-Regel wird aufgrund der nationalen Sicherheit und anderer übergeordneter Interessen gekippt, Abdullah Gül kandidiert noch einmal als Präsident. Termin für die Direktwahl des Staatschefs steht auch schon fest – 10. August für die erste Runde; und falls es Gül nicht im ersten Anlauf schafft, dann 28. August für die Stichwahl. Erdogan kann weiter regulär bis zur nächsten Parlamentswahl im Sommer 2015 regieren. Dann schon vom neuen Amtssitz aus, in Atatürks gestutztem Waldpark. (Markus Bey, derStandard.at, 8.3.2014)