Kurt Langbein
Weißbuch Heilung. Wenn die moderne Medizin nichts mehr tun kann

Ecowin Verlag, 2014
208 Seiten, 22,95 Euro
ISBN-13:
9783711000422

Foto: ecowin verlag

Wenn eine "Heilerin" und "energetische Medizinerin" sagt, dass alle Krankheiten Hilferufe der Seele und eigentlich ja "Freunde" seien, so muss das für einen unheilbaren Krebspatienten zynisch klingen. Nicht so für den Wissenschaftsjournalisten und Prostatakrebspatienten Kurt Langbein, der sich in seinem neuen Buch "Weißbuch Heilung" auf eine Entdeckungsreise in die Graubereiche zwischen Komplementär- und Alternativmedizin begibt.

Prompt lässt sich Langbein von ebenjener Heilerin behandeln und wird sogleich von "ungemein weichen und wohltuenden" Worten eingelullt. "Schwebend-wohlig" verlässt er die Praxis und fragt sich: "Was sind diese besonderen Energien, von denen die Heiler sprechen und ihre Patienten? Unsere Physik kennt solche Energien nicht." Doch das müsse ja nicht heißen, dass es sie nicht gibt, wie er in den darauffolgenden Kapiteln nicht müde zu betonen ist.

Belege fehlen

Ohne erkennbaren roten Faden kommt Kurt Langbein vom durchaus spannenden "Human Brain Project" über Homöopathie bis hin zu Quanteneffekten, von denen die Medizin in kommenden Jahren noch enorme Umwälzungen erfahren würde.

Weitere Themen, die verhandelt werden: Meridiane, die verkehrt im Körper laufen und Krankheiten verursachen. Heilende kosmische Energie, die sie verhindern können. Körpersäfte, die in einem schlechten Missverständnis zueinander stehen. Gemeinsames Meditieren und das Spüren von heilendem Licht gegen Krebs. Handauflegen, Ayurveda, Feng-Shui, Akupunktur, Homöopathie, TCM, Spontanheilung - alles ziemlich beliebig durcheinander gewürfelt. Immer wieder verweist Langbein darauf, dass die Schulmedizin nicht die gesamte Weisheit für sich gepachtet habe, zitiert aber selbst laufend aus wissenschaftlichen Journalen - wenn es ihm in die Argumentationslinie passt.

Andernfalls bleibt er den Beleg oft schuldig. Etwa hier: "Mindestens ein Drittel von schweren Erkrankungen wie Krebs werden vom Immunsystem wieder zum Verschwinden gebracht, ohne dass wir das überhaupt merken." Oder: "In Wahrheit bestreitet kein ernstzunehmender Gesundheitsforscher mehr, dass eine gelungene Partnerschaft mehr für die Gesundheit bringt als die Befolgung aller klassischen Gesundheitstipps zusammen", schreibt Langbein. Schließlich würden verheiratete Männer im Schnitt um sieben Jahre länger leben als Singles - aber auch diese Aussage bleibt ohne Beleg.

Vage Vermutung

Auch wenn sich Langbein um einen differenzierten Zugang bemüht und vielen alternativmedizinischen Praktiken durchaus skeptisch gegenüber steht, am Ende gewinnt doch meist die vage Vermutung, dass da schon etwas dran sein würde. Besser die Ausführungen auf seinem Kerngebiet: Mit Langbeins Diagnosen zu den Versäumnissen und Schwachpunkten der Schulmedizin hat er durchaus recht, etwa wenn er schreibt, dass der Psychosomatik noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde und dass umfassende Information des Patienten häufig zu kurz komme.

Allerdings kommt diese auch in Langbeins "Weißbuch" zu kurz: Auch wenn es durchaus einige richtige Befunde zu unserem Gesundheitssystem und zu den Grenzen der Schulmedizin enthält, so kippt das Buch doch immer wieder ins Sphärische und Metaphysische, wo die Faktenlage für den sonst so skeptischen Wissenschaftsjournalisten schnell sehr dünn wird. Abgesehen davon bleibt der Neuigkeitswert gering. (Florian Bayer, derStandard.at, 10.3.2014)