Georg Schwab ist ein Snowboarder der ersten Stunde.

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Sotschi/Wien – "Ich fahre Snowboard, seit es Snowboard gibt", sagt Georg Schwab, 48 Jahre alt, Niederösterreicher, HTL-Lehrer, Sportler. Das Brett lässt ihn nicht los. Es ist irgendwie sein Schicksal. Und das Schicksal brachte ihn nach Sotschi. Am 11. März 2009 stürzte Schwab mit dem Snowboard – folgenschwer. Diagnose: inkomplette Querschnittlähmung. Prognose: Rollstuhl.

Am 14. März 2014 startet Schwab bei den Paralympischen Winterspielen in Sotschi. Mit dem Snowboard. Stehend. Der Rollstuhl ist Vergangenheit. Damals, vor fünf Jahren, habe eine Restchance darauf bestanden, dass Schwab nicht auf den Rollstuhl angewiesen bleiben musste. "Sie werden zeitweise wieder gehen können", hatten die Ärzte prognostiziert. Schwab fand sich damit nicht ab. "Ich wollte es lieber umgekehrt." Sechs Monate nach dem Unfall ging Schwab – mit zwei Gehstöcken. Zwei, drei weitere Monate später ohne Gehstöcke. "Mit Glück und Disziplin habe ich es geschafft."

Guter Eindruck von Sotschi

Schwabs Eindruck von Sotschi ist ein guter. "Die Leute sind bemüht und interessiert." Die Pisten seien anspruchsvoll. Snowboarder sind erstmals bei den Paralympics vertreten. Es gibt nur den Cross-Bewerb. Matthew Robinson wäre einer von Schwabs Gegnern gewesen. Der Australier starb am 21. Februar 28-jährig, acht Tage nach einem Sturz beim Weltcup in La Molina, an seinen schweren Nacken- und Wirbelsäulenverletzungen. Schwab war auch in La Molina. "Das war ein unglücklicher Sturz, ein Fahrfehler." Boardercross sei nicht gefährlicher als die Abfahrt für Skifahrer, sagt Schwab. Die Abfahrt in Sotschi war nicht ungefährlich.

"Natürlich war eine Hemmschwelle da", antwortet Schwab auf die Frage, warum er nach seinem Sturz, bei dem er sich eine Verletzung zwischen drittem und sechstem Halswirbel zugezogen hatte, ausgerechnet wieder snowboarden wollte. Aber sein Ziel sei gewesen, alle Sportarten, die er vor dem Unfall ausübte, auch danach wieder praktizieren zu können. Fünf Jahre später sind viele Sportarten möglich – "irgendwie." Das Radfahren zum Beispiel. Das geht ziemlich gut. "Ich habe damit angefangen, weil ich noch nicht gehen konnte." Ein Bänderriss, den er sich beim Absteigen vom Rad zuzog, warf ihn zurück. Der Rollstuhl wurde wieder gebraucht. Vorübergehend.

Keine Klasseneinteilungen

"Es ist frustrierend", sagt Schwab. Er wird in Sotschi nicht um Medaillen fahren können. Er wird sogar weit davon entfernt sein. Mit seiner inkompletten Querschnittlähmung ist er gegenüber weniger gehandicapten Athleten deutlich im Nachteil. "Das ist halt so." Ein eigentlich geplantes Faktorensystem kam nicht zustande. "Es ist besser, wir sind dabei, und es ist ungerecht, als gar nicht dabei zu sein." Der olympische Gedanke also. Messen wird er sich mit Gegnern, die ein ähnliches Handicap haben wie er.

Die ersten Snowboard-Versuche nach dem Unfall klappten nicht gut. Ein Rückschritt. Er versuchte sich auf dem Wakeboard. Stürze zu Wasser fallen weniger schmerzhaft aus. Seit dem Winter 2011/12 fährt Schwab regelmäßig Snowboard. Seit dem Winter 2012/13 wettkampfmäßig.
Sein erstes Board hat sich Schwab selbst gebaut. Vom Alpinfahrer wurde er zum Freestyler. Der Niederösterreicher arbeitete als Snowboard-Trainer. Der Cross-Bewerb taugt ihm. "Der gibt auch für die Zuschauer was her."

Das Radfahren taugt ihm auch. Schwab betreibt es seit 2010 wettkampfmäßig. Wegen des vorhandenen Faktorensystems hat er im Paracycling derzeit auch die größeren Erfolgsaussichten, und also auch Aussichten auf eine Teilnahme bei den Paralympischen Sommerspielen 2016 in Rio. Das ist das Ziel. Und was ist mit Pyeongchang 2018? "Mal sehen", sagt Schwab, der dann schon 52 sein wird. Jedenfalls will er nur dabei sein, wenn es in Korea ein Faktorensystem geben wird. Der olympische Gedanke gilt nur für Sotschi. (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 11.03.2014)