Juni 2006: Franz Morak, der damalige ÖVP-Kunststaatssekretär (rechts), bestellte Matthias Hartmann als Burgtheaterdirektor ab dem September 2009.

Foto: Matthias Cremer

Josef Ostermayer, der neue Kulturminister, gab Dienstagmittag bekannt, dass Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann fristlos entlassen wurde. Er habe unverzüglich handeln müssen - genauso wie es Hartmann als Co-Geschäftsführer in der Causa Stantejsky tat. Der ehemaligen Vizedirektorin Silvia Stantejsky wird vorgeworfen, "dolose" Handlungen gesetzt und ein Defizit in der Höhe von 2,7 Millionen Euro verursacht zu haben. Hartmann jedoch bestritt jede Mitverantwortung.

Diese Vorgangsweise ist eine echte Premiere: In der beinahe 240-jährigen Geschichte des ehemaligen Hoftheaters habe es noch nie die "Entlassung eines Direktors aufgrund von Misswirtschaft" gegeben, so die Wiener Theaterwissenschafterin Hilde Haider.

Am Montagabend erhielt Ostermayer von der Kanzlei Dorda Brugger Jordis das Rechtsgutachten über "die mögliche arbeits-, gesellschafts-, schadensersatz- und strafrechtliche Verantwortung" von Organen der Burgtheater GmbH und der Bundestheater-Holding. Die Anwälte stellten fest, dass es "über einen längeren Zeitraum weder über ein ordnungsgemäßes Rechnungswesen noch ein funktionierendes Internes Kontrollsystem (IKS)" gab. Wenn solche Mängel langfristig nicht behoben werden, lege dies "die Pflichtwidrigkeit der Geschäftsführer nahe"; beim Rechnungswesen handle es sich um Angelegenheiten, "für die von Gesetzes wegen sowohl der kaufmännische als auch der künstlerische Geschäftsführer verantwortlich sind" - ungeachtet der Geschäftsverteilung.

Für die Frage der Pflichtwidrigkeit sei es dabei letztlich einerlei, ob Hartmann um die Missstände wusste und trotzdem nichts unternahm, oder ob er sich um das Rechnungswesen gar nicht kümmerte. Diese Begründung erschien Ostermayer plausibel: Wenn sich Hartmann seine Vorbereitungshonorare in den Jahren 2006 bis 2009 (also vor seinem Amtsantritt) von Stantejsky verwahren und dann bar ausbezahlen ließ, dann muss er das "System Stantejsky" gekannt haben.

Einstimmiger Beschluss

Am Dienstag um 8.30 Uhr informierte Ostermayer den Aufsichtsrat. Die Mitglieder sprachen sich einstimmig dafür aus, Hartmann zu entlassen. Im Anschluss kam es zu einer Unterredung mit Hartmann. Dessen Angebot, ihn bis zur Klärung der Misere zu suspendieren, lehnte Ostermayer ab, da der Direktor Anspruch auf sein Gehalt gehabt hätte. Den Gegenvorschlag, selbst seinen Rücktritt zu erklären, konnte hingegen Hartmann nicht akzeptieren.

Ostermayer trug daher Springer auf, Hartmann fristlos zu entlassen. Und er informierte das Burgtheaterensemble. Hartmann warf den Schauspielern vor, ihm mit ihrem Misstrauensvotum vor wenigen Wochen den Todesstoß versetzt zu haben. Roland Koch, einer der Ensemblesprecher, stellte dies in Abrede: Man hätte versprochen, dass man nicht nachtreten werde, wenn sich herausstellen sollte, dass Hartmann keine Mitschuld trägt. In den letzten Tagen seien die Erosionsprozesse aber nicht mehr aufzuhalten gewesen. Es gebe, so Koch, keine Schadenfreude über die Fristlose, man müsse die Ereignisse nun einmal verdauen: "Es war eine Zerreißprobe - auch im Ensemble."

Hartmann beauftragte nach dem Gespräch den Anwalt Georg Schima, Klage gegen die Entlassung einzubringen, die vorschnell erfolgt sei. Er schrieb: "Man möchte meinen, dass sich der künstlerische Geschäftsführer auf die kaufmännische Direktion, die Kontrollfunktion der Holding und die Wirtschaftsprüfer verlassen könnte. Da wurde ich offensichtlich völlig im Stich gelassen und muss dafür jetzt büßen."

Der falsche Film

Auch zu diesem Punkt nahm Ostermayer Stellung. Natürlich sei die Frage erörtert worden, ab wann der Aufsichtsrat von den dolosen Handlungen Bescheid wusste. Die Mitglieder hätten aber - im Gegensatz zur Direktion - nicht täglich mit der Geschäftsführung zu tun, sie müssten sich auf den Jahresbericht verlassen. KPMG gab noch im Februar 2013 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Sollte sich herausstellen, dass aufgrund dieses Vermerks der Republik ein Schaden entstanden sei, werde man gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gerichtlich vorgehen.

Infolge der Entlassung muss Hartmann seinen Arbeitsplatz unverzüglich räumen. Er probt allerdings derzeit sein Stück Der falsche Film, das am 6. April im Akademietheater uraufgeführt werden soll. Ob es dazu kommt, wusste man am Dienstag nicht.

Springer, der als Holding-Geschäftsführer Mitverantwortung einbekannt hatte, zog am Dienstag eine Konsequenz. Er zieht sich aus den Aufsichtsräten der Töchtergesellschaften (Staatsoper, Volksoper und Burgtheater) zurück. Prokurist Othmar Stoss, sein engster Mitarbeiter, wird künftig die Holding vertreten. Den Vorsitz übernimmt allerdings nicht er, sondern Christian Strasser. Der Chef des Museumsquartiers sitzt bereits in den Aufsichtsräten der Bühnengesellschaften.

Kritik an der Holding

Die Oppositionsparteien lobten Ostermayer für sein rasches Handeln, Hartmanns Abberufung sei ein konsequenter und notwendiger Schritt gewesen. Die Holding habe jedoch nicht die ihr zugedachten Aufgaben erfüllt, so Wolfgang Zinggl (Grüne). Sein Kollege Walter Rosenkranz (FPÖ) meinte, dass die Holding aufgelöst gehöre. Und Beate Meinl-Reisinger, die neue Vorsitzende des Kulturausschusses (Neos), forderte einen "Neustart" der Holding: "Eine Holding, die nichts sieht, nichts hört und nichts weiß, ist nur ein Kostenfaktor." (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 12.3.2014)