Beck gibt sich auf seinem Album "Morning Phase" wieder nachdenklich. Der Hut soll dabei helfen.

Foto: Autumn De Wilde / Universal

Wien - Wenn Musiker anfangen, Hüte zu tragen, wird es oft problematisch. Der Hut signalisiert als unzeitgemäße Kopfdeckung oft den Wunsch, anspruchsvolle Kunst zu machen. Von dort bis zur Betulichkeit ist es oft nur ein Gähnen. Folgt man dieser These, dann handelt es sich beim neuesten Album von Beck also um denkschwere Kost. Denn wie ein Weiser vom Berg blickt er auf dem Cover unter einem Stoffdeckel mit breiter Regenrinne auf uns herab.

Morning Phase heißt das Album, und es ist sein zwölftes. Sein drittes, Mellow Gold, machte ihn 1994 mit dem Hit Loser über Nacht zum Star einer Generation. Die Alternative Music war gerade in den Mainstream eingebrochen, und Beck gelang mit einer verwegenen Mischung aus Hip-Hop, Rock, Folk und dem Einsatz launiger Samples eine Kunst, die den Slacker im Zwerchfell traf.

Mit Beck war der Nerd zum Superstar aufgestiegen. Und Beck Hansen entpuppte sich als wahrhaftig und originell genug, um nicht gleich wieder zu verschwinden. Er veröffentlichte seitdem Alben verschiedenster musikalischer Ausrichtungen und etablierte sich als verlässliche Größe der Alternative Music.

Eine gröbere künstlerische Selbstbeschädigung verzeichnet man bisher keine, aber seit er 2005 bekanntgab, Mitglied der Scientology zu sein, begegnen ihm viele nur noch mit Sodbrand oder einem geweihten Kruzifix.

Sektenfreak oder nicht, zumindest die elementaren Zweifel, die uns alle hin und wieder überkommen, teilt sich der 43-jährige Familienvater ganz gewöhnlich mit seinem Publikum. Diese Zweifel sind oftmals Nährboden seiner Musik. Und so impressionistisch verwischt das Cover seines neuen Albums erscheint, so klingt es. Beck schleicht darauf auf leisen Pfoten durch seine Welt.

Begräbnis für Landratten

Er will Morning Phase als Fortsetzung seines Albums Sea Change gelesen haben. Das mag formal zulässig sein, erscheint aber angesichts der zwölf Jahre, die zwischen beiden Veröffentlichungen liegen, etwas seltsam. Aber seltsam und die Scientology schließen einander nicht unbedingt aus, und wie Sea Change ist Morning Phase ein ruhiges Album, das den Singer-Songwriter herausstreicht.

Das deutet bereits auf eine gewisse Gemütsschwere hin. Songtitel wie Blue Moon, Unforgiven oder Say Goodbye festigen diese Stimmung ebenso wie die Streicher, die das Lied Wave wie ein Seebegräbnis klingen lassen, dessen Aufgebot aus Trockenschwimmern und Landratten besteht. Der Schmerz, und sei es nur Theaterblut, das sich da am Hemd über seiner schmalen Brust abzeichnet, ist oft Zehrgebiet großer Kunst.

Der Folkrock, den Beck arrangiert, erinnert in den wenigen Midtempo-Stücken gar an Arbeiten von Simon & Garfunkel in Novemberstimmung: Man höre Turn Away, das auf deren Bookends nicht negativ auffallen würde.

Trennung, Tod und Entfremdung tauchten in Becks Arbeit früh auf. Und zwar nicht nur als ironische Brechung, wie dies Loser vermuten ließe. Schon das ebenfalls 1994 erschienene One Foot in the Grave verdeutlichte die ernstzunehmende Seite des heiteren Slackers, der damals bereits Blues und Country als zweites und drittes Standbein vorstellte.

Doch auf dem Weg zum großen musikalischen Storyteller steht er sich ausgerechnet selbst im Weg. Nichts anderes als seine anhaltend bubenhafte Stimme verhindert es, manchen Songs jene Wirkmächtigkeit zu verleihen, die sie zu Großtaten machen könnte. Blöde Sache.

Hier rächt sich das überstrapazierte Image des ewigen Jünglings auf perfide Art. Doch Beck weiß wohl selbst, dass er mit Alben wie Morning Phase hauptsächlich seine dackeltreuen Fans erreicht. Für alle anderen hat er bereits angekündigt, heuer noch ein zweites Album zu veröffentlichen, das ganz anders klingen soll, wilder. Material für mehr als vier soll er in der Lade haben.

Das erwartet man mit Morning Phase gelassen. Wenn es auch kein Meisterwerk in seinem Katalog sein mag, die hermetische Stimmung geht auf voller Länge doch wunderbar auf. Trotz Hutes. (Karl Fluch, DER STANDARD, 12.3.2014)