Hat der Kornspitz-Schöpfer genug getan, um die Marke zu verteidigen?

Foto: Backaldrin

Ist der Kornspitz, ein bekanntes Weckerl, wie die Semmel oder doch nicht? Erwarten die Verbraucher, dass jeder Bäcker - wie bei der Semmel - seine eigene Art von Kornspitz bäckt? Oder bekommt man als Kornspitz überall im Wesentlichen dasselbe Weckerl, weil ohnedies jeder Kornspitz am Ende aus derselben Quelle kommt?

Die Bäcker und Lebensmittelhändler wissen, dass hinter dem Kornspitz das Unternehmen Backaldrin aus Oberösterreich steht, das den Bäckern eine bestimmte Backmischung liefert und die Lizenz erteilt, das daraus gebackene Weckerl "Kornspitz" zu nennen. Wie das aber bei den Konsumenten ist und inwiefern das Verständnis der Konsumenten überhaupt relevant ist, darüber tobt ein spannender Rechtsstreit.

Marken dienen dazu, im Wirtschaftsleben sicherzustellen, dass der Konsument aufgrund der Marke zwischen den Produkten verschiedener Hersteller unterscheiden kann. Goldbären kommen von Haribo, Goldhasen von Lindt. Dagegen kann die gebräuchliche Bezeichnung für die Ware selbst nicht als Marke geschützt werden: Viele Unternehmen verkaufen Fruchtgummis und Schokoladeosterhasen, weder "Fruchtgummi" noch "Schokoladeosterhase" kann als Marke geschützt werden.

Das führt zunächst auch noch eher selten zu Problemen, außer manchmal bei Fremdsprachen: so der bekannte Fall, wo ein spanisches Unternehmen die Marke "Matratzen" für colchónes (spanisch für Matratzen) im spanischen Markenregister geschützt bekam, weil man dort das deutsche Wort nicht gebraucht.

Lebensgefahr für Marken

Knifflig sind Situationen, in denen sich Marken erst mit der Zeit zum gebräuchlichen Begriff für die Produktgattung entwickeln. Bei neuartigen Produkten zielt die Werbung oft darauf ab, den Namen möglichst rasch bekanntzumachen - je bekannter, desto wertvoller ist die Marke. Je bekannter, desto wahrscheinlicher ist es aber auch, dass die Marke mit der Zeit als Bezeichnung der Produktgattung an sich, egal von welchem Hersteller, angesehen wird - Lebensgefahr für die Marke! In den USA, wo diese Problematik schon viel früher diskutiert wurde, verwendet man dafür das Bild des "Markenfriedhofs", auf dem heute gebräuchliche Bezeichnungen, die einst wertvolle Marken waren, ruhen. So war etwa "escalator" um 1900 die Marke des ersten kommerziellen Rolltreppenherstellers Otis, hat sich später aber zum gebräuchlichen englischen Wort dafür entwickelt.

In Österreich hat diese rechtliche Thematik erst in den letzten Jahren Beachtung erfahren. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die Rechte von Sony an der Marke "Walkman" verneint, aber die von Ravensburger an der Marke "Memory" bejaht.

Als nun jüngst die Marke "Kornspitz" auf den Prüfstand kam, entschied die höchste österreichische Instanz, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen, um mehrere offene Rechtsfragen zu klären: Kann die Marke bereits dann verloren gehen, wenn sie bei den Endverbrauchern nicht mehr als solche erkannt wird, bei den Herstellern und Händlern aber sehr wohl? Die Antwort in der Entscheidung von letzter Woche (C-409/12) ist "Ja", zumindest dann, wenn die Konsumenten vom Verkäufer typischerweise weder beraten noch sonst wie darüber aufgeklärt werden, dass es sich bei "Kornspitz" um eine Marke handelt.

Nach dem Gesetz reicht das alleine aber nicht aus: Der Markeninhaber muss durch sein Verhalten dazu beigetragen haben. Ein solcher Beitrag liegt nach dem EuGH schon in einem "Wegschauen" in dem Sinn, dass sich der Markeninhaber nicht dafür einsetzt, dass seine Geschäftspartner auf die Marke hinweisen - also Bäcker etwa nicht den Hinweis auf eine registrierte Marke (Kornspitz®) verwenden.

Unbeachtlich ist laut EuGH, ob alternative Bezeichnungen zur Verfügung stehen, man im Wirtschaftsleben also nicht auf die zur Gattungsbezeichnung gewordene Marke angewiesen ist, um die Art des Produkts für den Konsumenten adäquat zu bezeichnen. Der OGH hatte das in ähnlicher Konstellation bei "Walkman" und "Memory" noch als entscheidendes Kriterium herangezogen.

Ob die Marke "Kornspitz" überlebt, ist auf Basis der vom EuGH herausgearbeiteten Grundsätze nun wieder von den österreichischen Instanzen zu entscheiden. (Christian Schumacher, DER STANDARD, 12.3.2014)