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Ein Tränenfilm aus drei verschiedenen Schichten schützt die Hornhaut normalerweise vor Reizungen. Für die Patienten, bei denen das nicht ausreichend funktioniert, gibt es nun neue Hoffnung.

Foto: APA/Fohringer

Die Symptome können äußerst unangenehm sein: Es fühlt sich an, als ob man ständig ein Staubkorn im Auge hat. Rötungen kommen hinzu, manchmal auch schleimige Absonderungen oder sogar quälende Schmerzen. Die Hornhaut, medizinisch Cornea genannt, ist gereizt. Fachärzte kennen das Problem. Der Patient hat ein trockenes Auge.

Laut Expertenschätzungen sind 15 bis 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung zumindest vorübergehend betroffen. "Lange war es so, dass die Krankheit als psychische Befindlichkeitsstörung abgetan wurde", wie Leopold Schmetterer von der Medizinischen Universität Wien erklärt. Meistens sind es Senioren, die unter trockenen Augen leiden, sagt der Wissenschafter. "Die Krankheit kann aber auch bei jüngeren Menschen auftreten."

Als zusätzliche Risikofaktoren gelten unter anderem Kontaktlinsen, ein Mangel an Omega-3-Fettsäuren, Klimaanlagen und intensive Bildschirmarbeit. Die dabei erforderliche Konzentration senkt nachweislich die Lidschlagfrequenz. Nach Augenoperationen treten ebenfalls gehäuft Trockenheitsprobleme auf. "Das sensible Stellglied sind die Hornhautnerven", erläutert Leopold Schmetterer. Diese Neuronen lösen den Lidschlagreflex aus und gewährleisten die regelmäßige Befeuchtung der Cornea. Werden sie im Zuge eines chirurgischen Eingriffs geschädigt, kommt es vorübergehend zu Störungen. Die eigentliche Ursache der Erkrankung liegt gleichwohl in einer verringerten Tränenproduktion oder einer erhöhten Verdunstung.

Komplexer Tränenfilm

Der Tränenfilm, der die Hornhaut ständig bedecken muss, ist eine faszinierende Erfindung der Natur. Er besteht im Prinzip aus drei unterschiedlichen Schichten. Die äußere ist die Lipidschicht. Diese setzt sich aus einem komplexen Gemisch von fettartigen Substanzen zusammen und liegt wie ein Ölfilm auf dem Rest der Tränenflüssigkeit, wodurch diese vor dem Verdunsten geschützt wird.

Die mittlere, wässrige Schicht ist die dickste von den dreien. "Sie ist vor allem dazu da, die Hornhaut mit Sauerstoff zu versorgen", sagt Schmetterer. Die transparente Cornea hat nämlich als eines der ganz wenigen Gewebe im menschlichen Körper keine eigene Blutversorgung. Gelöster Sauerstoff und Nährstoffe müssen deshalb quasi über den Wasserweg zu den Zellen transportiert werden.

Unten befindet sich schließlich die schleimige Mucinschicht, bestehend aus sogenannten Glykoproteinen, die direkt mit den Zelloberflächen verbunden sind. Die Stärke des gesamten Tränenfilms beträgt normalerweise nur fünf Mikrometer, betont Schmetterer. Wahrlich eine hauchdünne Angelegenheit.

Neben dem Mangel an Tränenflüssigkeit sind an der Entstehung der Krankheit noch zwei weitere Faktoren beteiligt: die Konzentration von gelösten Salzen und anderen wasseranziehenden Substanzen sowie Entzündungsprozesse. Der Tränenfilm hat auch ein eigenes Immunsystem. Bei Reizung werden von den Tränendrüsen vermehrt körpereigene Kampfstoffe wie verschiedene Interleukine freigesetzt.

Diese Reaktion hilft zwar, krankheitserregende Keime in Schach zu halten, doch auf Dauer führt sie auch zu einer Schädigung der Hornhaut. Das Gewebe schwillt stellenweise an, die Reibung mit dem Augenlid nimmt zu, die Reizung ebenfalls, und dadurch wird die Entzündungsreaktion weiter verstärkt, erklärt Schmetterer. "Das ist praktisch ein Teufelskreis."

Schmetterer, von Haus aus eigentlich Physiker, arbeitet schon viele Jahre lang als Augenforscher an der Wiener Medizinischen Universität. Seit Anfang 2014 leitet er das neu gegründete Christian-Doppler-Labor für okuläre Effekte von Thiomeren, finanziert vom Wirtschaftsministerium und vom Unternehmen Croma-Pharma. Die beteiligten Experten planen eine kleine Revolution in der Behandlung von trockenen Augen.

Die Reizung lindern

Bisher setzen Augenärzte unter anderem auf Gleitmittel mit Hyaluronsäure. Solche Augentropfen verringern die Reizung der Cornea und verschaffen den Patienten somit Linderung. Allerdings nicht für lange Zeit. Der andauernde Lidschlag wischt die Präparate relativ schnell wieder von der Augenoberfläche fort. Spätestens nach einer Stunde muss erneut eingeträufelt werden. Schwere Fälle von trockenen Augen behandeln Mediziner meist mit Corticosteroiden oder anderen immunologisch wirksamen Therapien. So gelingt es, die Entzündungsreaktionen auszubremsen, doch die Nebenwirkungen sind erheblich. Für eine dauerhafte Behandlung sind solche Medikamente deshalb nicht geeignet.

Thiomere könnten eine sinnvolle Alternative darstellen. Es sind biologische Polymere, lange Molekülketten, mit schwefeltragenden Thiolgruppen an den Seitenzweigen. Biochemisch modifizierte Thiomere wie Chitosan-N-Acetylcystein (C-NAC) haben früheren Studien zufolge einen potenziell stark stabilisierenden Einfluss auf den Tränenfilm.

Die integrierten Thiolgruppen bilden spezielle Bindungen, sogenannte Disulfid-Brücken, mit schwefelhaltigen Bestandteilen der Glykoproteine in der Mucinschicht. Dadurch bleiben sie wesentlich länger an der Hornhaut haften als herkömmliche Präparate, betont Schmetterer. Abgesehen davon wurde in Tierversuchen gezeigt, dass C-NAC auch die Produktion von entzündungsfördernden Stoffen verringert (vgl.: "Archives of Ophthalmology", Bd. 127, S. 525). Ein zusätzlicher Vorteil.

Diese und weitere Eigenschaften von Thiomeren wollen Schmetterer und sein Team in den kommenden Jahren erforschen und bis zur Praxistauglichkeit weiterentwickeln. Den Wissenschaftern steht dabei modernste Technik zur Verfügung. Ein neu in Wien entwickeltes tomografisches Verfahren zum Beispiel ermöglicht es, Veränderungen in der Dicke des Tränenfilms bis auf zehn Nanometer genau zu messen (vgl.: "Investigative Ophthalmology and Visual Science", Bd. 54, S. 5578) "Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten", meint Schmetterer. Und auch neue Blickfelder. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 12.3.2014)