Schockartig schön sei die Woge aus Neugier und Interesse zu seinem Wien-Einstand gewesen. Daran müsse man sich erinnern, wenn es irgendwann nicht mehr so ist, sagte Matthias Hartmann in seinem ersten Standard-Interview als Burgtheaterdirektor im Herbst 2009. Und als habe er damals schon sein abruptes Ende vorhergesehen, fügte er hinzu: "Theater ist eine reine Glückssache. Man kann nicht programmieren, erfolgreich zu sein."
Nun ist ihm das Glück abhold, Kulturminister Josef Ostermayer hat als eine seiner ersten Amtshandlungen Hartmanns Chefsessel vor die Burgtür gestellt. Dass Hartmann, der dem Burgtheater ein Besucherplus bescherte, gefeuert wird, während Georg Springer Geschäftsführer der Bundestheaterholding bleibt und nur seine Aufsichtsratsposten in den Töchtergesellschaften zurücklegt, ist ein Treppenwitz: Der geniale Netzwerker hat in beiden Funktionen kläglichst versagt. Wer, wenn nicht er hätte als oberste Kontrollinstanz den Durchblick haben, Silvia Stantejskys Buchführung enttarnen und den künstlerischen Direktor darauf aufmerksam machen müssen?
Hartmann hat daher schon recht, wenn er klagt: "Man möchte meinen, dass sich der künstlerische Geschäftsführer auf die kaufmännische Direktion, die Kontrollfunktion der Holding und die Wirtschaftsprüfer verlassen könnte. Da wurde ich offensichtlich völlig im Stich gelassen und muss dafür jetzt büßen." Und seine Kinder offenbar auch: Wenn man die Postings, auch im Standard-Forum, liest, kann man sich das Ausmaß der Pöbeleien lebhaft vorstellen.
Hartmann, ein Mann mit Hang zu Megalomanie, hat gewiss Fehler gemacht. Zuletzt beauftragte Theaterdirektor Hartmann Regisseur Hartmann mit der Inszenierung eines Hartmann-Stückes. Dass ihm der Vertrag neben seiner Fixgage auch Regiehonorare garantierte, ist aber weniger ihm als den zuständigen Politikern anzulasten.
Dass er sich dann offenbar höhere als vertraglich vereinbarte Honorare von der damaligen kaufmännischen Direktorin ausbezahlen ließ, während er beim Ensemble sparte, raubte ihm den nötigen Rückhalt im Haus. Und entkräftet seine Verteidigung, er habe von Stantejskys Gepflogenheiten nichts gewusst, Honorare unter Umgehung des Vieraugenprinzips bar auf die Hand zu zahlen. Dass er andererseits nicht unterschreiben könne, was man ihm nicht vorlege, hat allerdings auch eine gewisse Logik.
Die politisch hausgemachte Krise datiert mit der Ausgliederung der Bundestheater im Jahr 1999. Bis dahin dirigierten die künstlerischen Direktoren Staats- und Volksoper sowie Burgtheater. Der Geldhahn aber wurde vom Bundestheatergeneral als oberste kaufmännische Instanz auf- und, bei Bedarf, zugedreht. Diese klare Aufgabenteilung sollte man auch bei der Nachfolgesuche bedenken: Ausgestattet mit einer Überdosis Ensemblestimmungsaufheller, sollte sich der künstlerische Direktor / die künstlerische Direktorin mit einem vertrauenswürdigen und gleichberechtigten Kaufmann verpartnern müssen.
In eingangs zitiertem Interview verglich sich Matthias Hartmann mit Peer Gynt: "Das ist auch so einer, der eine zweite Chance braucht, wie ich. Oder der junge Parsifal, der Stümper. Mich interessieren Figuren, die Sehnsucht nach etwas hatten, das sie nicht gekriegt haben." Er hat diese zweite Chance nun nicht mehr gekriegt. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 12.3.2014)