Wien - Die Europäische Union steht kurz davor, Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk kündigte am Dienstag in Warschau an, dass die EU wegen der Krim-Krise bereits am kommenden Montag konkrete Schritte gegen Moskau beschließen werde. Die Entscheidung sei ja faktisch schon getroffen, sagte Tusk. Der französische Außenminister Laurent Fabius sprach davon, dass erste Sanktionen noch diese Woche beschlossen werden könnten.
Dabei verdichten sich die Zeichen, dass als erstes Ziel russische Staatsbürger und als zweites Ziel das russische Finanzsystem ins Visier genommen werden soll.
Denn tatsächlich bleibt außerhalb des Finanzsektors für Sanktionen wenig Spielraum. Gas und Erdöl sind zwar Russlands wichtigstes Exportgut und wichtigste Quelle für Deviseneinnahmen, allerdings besteht hier die Abhängigkeit in beide Richtungen: Europa ist nämlich der Hauptabnehmer russischen Gases und Erdöls. Laut EU-Kommission kommen 36 Prozent aller Gasexporte in der EU aus Russland, bei Rohöl sind es 31 Prozent.
Russen bunkern Geld in Westeuropa
Wie die New York Times am Dienstag berichtete, ziehen Europäer und Amerikaner bei Sanktionen gegen russische Oligarchen und Russlands Bankensystem bereits an einem Strang. Laut der Zeitung würden neben den Europäern auch die Amerikaner an einer Liste mit russischen Staatsbürgern arbeiten, deren Konten eingefroren werden könnten. Die Sanktionen dürften auch direkte Auswirkungen auf Österreichs Bankensystem haben.
Der Hintergrund: Laut einer Studie der Credit Suisse verfügen in Russland gerade einmal 110 Multimilliardäre über 35 Prozent des russischen Finanzvermögens. Der Clou: Ein Großteil der wohlhabenden Russen bunkert sein Geld in Westeuropa. Hier kommt Österreich ins Spiel. Exakte Statistiken darüber, wie viel Geld russische Oligarchen in welchem Land angelegt haben, sucht man zwar vergeblich - auch die Oesterreichische Nationalbank verfügt nach eigenen Angaben über keine Zahlen.
Die russische Notenbank veröffentlicht aber regelmäßig eine Liste über die Forderungen russischer Banken gegenüber ausländischen Instituten. Dabei werden laut Zentralbank auch Einlagen von Russen im Ausland miterfasst.
Demnach haben Russen den absoluten Großteil ihres Vermögens in Großbritannien geparkt (London). Dahinter folgen die USA, Deutschland und ganz knapp Österreich - mit russischen Forderungen gegen das Land in Höhe von zwölf Milliarden Dollar (8,6 Milliarden Euro). Sollten Russen also aus Angst vor Sanktionen beginnen, ihre Gelder aus Österreich abzuziehen, oder sollte das Neugeschäft zum Erliegen kommen, könnte das den Finanzsektor treffen. In US-Medien wird unter Berufung auf Quellen aus dem Kongress zudem bereits damit spekuliert, dass russische Banken in Europa sanktioniert werden können.
Sanktionen gegen Banken
Dabei fallen bereits zwei konkrete Namen: die vom russischen Staat kontrollierte Sberbank und die VTB. Sberbank ist in Österreich gut bekannt. Das Geldhaus hatte der Österreichischen Volksbanken AG 2012 die Tochterbanken in Osteuropa abgekauft. Die Sberbank Europa hat in Osteuropa rund 560.000 Kunden (darunter in der Ukraine, Ungarn, Kroatien). Ex-Bank-Austria-Chef Gerhard Randa sitzt im Aufsichtsrat des Instituts, und der frühere Magna-Manager Siegfried Wolf ist Aufsichtsratspräsident. Sberbank hat zudem 2012 die türkische Denizbank erworben. Das Institut vertreibt mit einer eigenen Österreich-Tochter Sparprodukte. Die VTB selbst ist ebenfalls stark präsent in Österreich, ihr gehört die Donau Bank in Wien.
Ein weiteres Problem aus Sicht der österreichischen Institute: Russland hat für den Fall westlicher Sanktionen Gegenmaßnahmen angekündigt. (Reuters; szi, DER STANDARD, 12.3.2014)