Rolf Sachs und für ihn typisch deutsche Dinge. Die Bienenwaben stehen für die deutsche Emsigkeit.

Foto: Rolf Sachs/Byron Slater

Auch der Gartenzwerg darf in der Schau "Typisch deutsch?" natürlich nicht fehlen. Er steht - hier unter Glas - natürlich für Fleiß.

Foto: Rolf Sachs/Byron Slater

STANDARD: Ihr Vorname klingt typisch deutsch. Mögen Sie ihn?

Rolf Sachs: Ja, natürlich mag ich ihn. Er klingt in allen Sprachen gleich. Aber Sie haben recht, es ist ein deutscher Name. Ich glaube, ich wurde Rolf genannt, weil es irgendeinen Detektiv gab, der so hieß. Den fand der Vater cool, deshalb heiße ich Rolf.

STANDARD: Ihr Vater, Gunter Sachs, lebte nicht gerade ein klassisch deutsches Leben, galt unter anderem als Playboy. Bei dem Begriff Playboy denkt man nicht unbedingt an einen Deutschen.

Sachs: Nein, da fällt einem wohl eher ein Italiener ein, der herumflirtet. Mein Vater war ein Lebemann. Er ist in den Jahren nach dem Krieg aufgewachsen und hatte die Möglichkeit und die Lebensfreude, in die Welt hinauszugehen. Er war sehr weltoffen, aber im Grunde ein gradliniger Deutscher mit den dazugehörigen Charaktereigenschaften. Dazu gehört auch ein gewisser Stil.

STANDARD: Zu diesem Leben gehörte auch Ihre Stiefmutter Brigitte Bardot. Sie hat Ihnen Gitarrenunterricht gegeben? Spielen Sie gut?

Sachs: Nein, der Erfolg war nicht besonders groß. Aber ich kann mich gut daran erinnern. Das war schon etwas Besonderes.

STANDARD: Zurück zum "Deutschen". Was mögen Sie an den Deutschen?

Sachs: Man weiß, was man an den Deutschen hat. Sie sind gradlinig, irgendwo grundehrlich und auch transparent.

STANDARD: Was mögen Sie an den Deutschen nicht?

Sachs: Sie sind oft unflexibel, engstirnig, vielleicht auch oftmals etwas voreingenommen.

STANDARD: Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit Klischees aus?

Sachs: Klar gibt es wahnsinnig viele Klischees über die Deutschen. Ordnungsliebe, Pünktlichkeit und Fleiß gehören dazu. Viele dieser Klischees sind zu Eigenschaften geworden, die man allerdings nicht mehr belächelt, weil die ganze Welt auf Konkurrenzdenken angewiesen ist. Ich meine, alle nähern sich diesen Eigenschaften an.

STANDARD: Wer ist für Sie der bedeutendste Deutsche?

Sachs: Die meisten würden wahrscheinlich für Goethe voten, ein Meister seines Faches. Er hat die Deutschen sicher sehr stark geprägt.

STANDARD: Ich glaube, es war Ernest Hemingway, der sagte: "Vom Klang her kommen die deutschen Worte 'Liebe' und 'Tod' so authentisch rüber wie in keiner anderen Sprache." Welches ist für Sie das deutscheste Wort?

Sachs: Im literarischen Sinne wahrscheinlich das Wort "Angst".

STANDARD: In Ihrer Ausstellung zeigen Sie verschiedenste Objekte, die einem das Wesen des Deutschen näherbringen sollen. Darunter ist auch ein Tisch, dessen Platte eine große "Autobahn-Ausfahrtstafel" bildet. Was ist das Deutsche daran?

Sachs: Die ganze Welt kennt die deutsche Autobahn und denkt dabei an das Fehlen von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Gleichzeitig steht das Objekt auch für die bedeutende deutsche Autoindustrie und Technik.

STANDARD: Historisch betrachtet, könnte man dabei aber auch an Hitler denken.

Sachs: Ja klar, aber der Napoleon hat auch Straßen gebaut.

STANDARD: Sie sagten einmal, Ihre Arbeiten sollen Toleranz ausstrahlen.

Sachs: Nicht direkt. Ich glaube, die Aufgabe eines Künstlers ist es, den Menschen andere Aspekte zu zeigen, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich weiter zu öffnen. Und ein Resultat von mehr Offenheit ist sicher mehr Toleranz.

STANDARD: Würden Sie sagen, Toleranz ist eine deutsche Tugend?

Sachs: Nein, würde ich nicht. Ich glaube, die Deutschen tendieren eher zu Intoleranz und müssten toleranter werden.

STANDARD: Sie sind in der Schweiz geboren, Ihre Mutter war Französin, Ihr Vater Deutscher, Ihre Frau ist Iranerin. Sie leben in England. Wie deutsch sind Sie?

Sachs: In meinem kreativen Ausdruck bin ich ganz eindeutig deutsch. Meine Sprache hat Ecken und Kanten, sie ist nicht dekorativ. Ich bin konzeptionell, das ist ein deutscher Ansatz.

STANDARD: Wem drücken Sie beim Fußball die Daumen: Deutschland oder England?

Sachs: Ich bin für Deutschland, aber einer meiner Söhne hilft zu England.

STANDARD: Lebt es sich in England besser als in Deutschland?

Sachs: Es ist einfach anders. Die Engländer verfügen über einen tollen Way of Life. Sie sind relativ offen. Aber der Grund, warum ich hier lebe, ist London. Es ist einfach eine sehr kosmopolitische Stadt, wie es sonst nur ganz wenige gibt, vielleicht noch New York oder Hongkong.

STANDARD: In Deutschland gibt es also keine kosmopolitische Stadt?

Sachs: Nein, das liegt allein schon daran, dass Deutsch keine Weltsprache ist.

STANDARD: Der deutsche Journalist Ulrich Wickert sagte, in Deutschland sei man schon ein Lebemann, wenn man etwas von Käse versteht.

Sachs: Ich glaube, das war auch so ein Klischee, das die Welt von den Deutschen hatte. Ich denke, der Deutsche ist mittlerweile wesentlich weltmännischer geworden.

STANDARD: Was ist das deutscheste Gericht?

Sachs: Die meisten würden wahrscheinlich "Wurst" sagen. Aber das reicht vom Hering im Norden über den Sauerbraten und die Frikadelle bis zur Weißwurst und Schweinshaxe. Vergessen Sie nicht die Currywurst.

STANDARD: Sprechen Sie mit Ihrer Frau Deutsch oder Englisch?

Sachs: Französisch.

STANDARD: Die Sprache in Ihren Gedanken ist Deutsch oder Englisch?

Sachs: Das kommt darauf an. Wenn es hart auf hart kommt, sehr wahrscheinlich Deutsch.

STANDARD: Welcher ist der schönste Ort in Deutschland?

Sachs: Es gibt viele schöne Orte. Subjektiv betrachtet, mag ich die bayrischen Alpen ganz besonders gerne.

STANDARD: Gibt es etwas wie den typischsten deutschen Gegenstand?

Sachs: In meiner Ausstellung zeige ich unter anderem ein Lot, ein sehr deutsches Ding.

STANDARD: Jetzt müssen wir natürlich auch über die Österreicher sprechen. Das Verhältnis vom 'Ösi' zum 'Piefke' ist ja von einer gewissen Hassliebe geprägt. Wie sehen Sie das?

Sachs: Ich bin ein großer Liebhaber von Österreich. Die Österreicher haben ein bisschen mehr Leichtigkeit im Sein. Das ist etwas Wichtiges. Die Deutschen könnten sich ruhig etwas mehr in diese Richtung entwickeln.

STANDARD: Den Österreichern wird in manchen Belangen ein Neidkomplex gegenüber ihrem großen nördlichen Nachbarn nachgesagt. Können Sie das nachvollziehen?

Sachs: Nein. Ich meine, insgesamt schon. Aber das gilt ja auch für die Schweiz. Wenn man als kleines Land einen so großen, wirtschaftlich starken Nachbar hat, der dann auch noch im touristischen Sinne einfällt ... Da kann es schon zu einem Unbehagen kommen. Ich finde das nachvollziehbar. Im Falle Österreichs gibt's dann natürlich auch noch einen starken historischen Hintergrund.

STANDARD: Abgesehen von der erwähnten Leichtigkeit, was ist der größte Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern?

Sachs: Insgesamt ist Österreich ein ganz anders gewachsenes Land. In Deutschland begann die Industrialisierung früher, da wart ihr noch stärker vom Habsburgerreich und der Forst- und Landwirtschaft geprägt. Auch in Sachen Gewerbe hatte Deutschland einen gewissen Vorsprung, so wie die Schweiz, die aus einer bürgerlichen Ecke kommt. Aber genau der Unterschied macht wohl auch diesen ganz gewissen Charme und die Freundlichkeit der Österreicher aus.

STANDARD: Da gibt's ein paar Kellner in Wien wenn Sie bei denen einkehren, würden Sie das mit dem Charme schnell zurücknehmen.

Sachs: Ich spreche mehr vom Westen, wo ich mich eher aufhalte. Klar, die Wiener sind wieder irgendwo eine eigene Rasse.

STANDARD: Glauben Sie, dass man Deutsche an ihrem Äußeren besser erkennen kann als andere Nationalitäten?

Sachs: Möglicherweise. Das kommt auf den Touristen an, aber das sind Dinge, die sich nivellieren. Die Welt wird kleiner, die Symbioseeffekte gehen über die Grenzen hinweg. Man reist mehr als früher, es gibt überall die gleichen Läden. Wir werden uns ähnlicher.

STANDARD: Sie haben nach dem Tod Ihres Vaters dessen Nachlass versteigern lassen. Von welchem Erbstück könnten Sie sich nie trennen?

Sachs: Ich hänge besonders an den Bildern des Malers Jean Fautrier, ein französischer Maler der 1940er-, 50er- und 60er-Jahre.

STANDARD: Die nächste Frage drängt sich fast auf: Wo wollen Sie einmal begraben sein, in England oder in Deutschland?

Sachs: In Deutschland oder der Schweiz.

STANDARD: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie dieser Ort aussehen könnte?

Sachs: Nein, nicht wirklich. Vielleicht wäre dieser Platz in Bayern, wo unser Familienjagdgut liegt. Oder im schönen Engadin.

STANDARD: Apropos Jagd: Das deutscheste Tier ist ...

Sachs: Der Deutsche Schäferhund liegt auf der Hand, ich würde aber auch den Hirsch oder den Gamsbock dazuzählen. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 14.3.2014)