Artner bietet nun grandiose Feuerküche - dessen ungeachtet wird hier auch das vielleicht beste Steak der Welt gegrillt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Einige Herrlichkeiten, die die Köche nach Lalibertés Anleitung zubereiten.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Magnus Nilsson im schwedischen Fäviken tut es ebenso wie Victor Arguinzoniz vom Asador Extebarri im Baskenland oder Mark Libermann in San Francisco: Seit Jahren haben wache Köche das Garen über offenem Feuer als Mittel erkannt, ihrem Essen eine unverwechselbare Note zu geben, sich geschmacklich wie atmosphärisch von der Gefahr des Déjà-vu abzusetzen, die das feine Essen im Zeitalter seiner universellen Reproduzierbarkeit in sich birgt.

In Österreich war François Laliberté der Erste, der dieses Potenzial zu nutzen wusste und bis vor Weihnachten aus dem Holzofen einer vormaligen Pizzeria in Wien-Penzing Gerichte von so außerordentlicher Köstlichkeit herausschoss, dass die Bude stets ausreserviert war – trotz denkbar entrischer Lage.

Offene Feuerstelle

Jetzt hat Gastronom Markus Artner den Frankokanadier, der mit dem Pariser Dreisterner Alain Passard den wohl größten Rôtisseur der Gegenwart als Lehrmeister hatte, als Küchendirektor verpflichtet – dass in Artners Standorten auf der Wieden wie am Franziskanerplatz Josper-Holzkohle-Öfen im Einsatz sind, ist natürlich kein Zufall.

Auch Alain Weissgerber hat neuerdings eine offene Feuerstelle samt Backofen im Gastraum des Taubenkobel eingerichtet, laut Barbara Eselböck kommt seither "fast jeder Gang irgendwie mit Feuer oder Rauch in Berührung". Das klingt richtig spannend, einstweilen, so Eselböck, werden jedoch nur "neutrale Kritiker" an die Feuerstelle vorgelassen. Die Reservierung für Rondo wurde mit Hinweis auf die Berichterstattung zur Plagiatsaffäre (Stockholm am Gebirge, RONDO v. 8. 4. 2011, Anm.) storniert.

Aber zurück zu Artner: Laliberté coacht als Küchendirektor aller Artners das Team, gibt die Linie vor, schreibt die Karten. Einstweilen konzentriert er sich auf den Standort Wieden, wo seine spezifische, mit mittelöstlichen Traditionen spielende Küche den Ton angeben soll. Das wird auf der neuen Speisekarte schon deutlich – die hat neben Lalibertés Kreationen aber noch eine andere, echte Sensation zu bieten.

Ganz großes Steak

Unter den Steaks, die wie bisher im Josper gegrillt werden, findet man seit kurzem ein "Prime Rib Txogitxu". Der Zungenbrecher (Dschou-gitsu ausgesprochen, Anm.) bezeichnet Steaks, deren spezifische Qualität der baskische "Cow Scout" Imanol Jacas gewährleistet. Er spürt in ganz Europa Milchkühe aus Weidehaltung auf, die gut im Fett stehen und, jetzt kommt's, mindestens zwölf Jahre alt sind. Zwölf! Können aber auch 18 sein!

Dieses unerhört hohe Alter (bei uns landen solche Tiere bislang in der Burger- oder gar Tierfutterproduktion) sorgt für völlig abgehoben hohe Geschmackstiefe, ist dank langer Reifezeit aber gleichwohl unerreicht zart – so es, wie im Artner, in kiloschweren Steaks nur extrem kurz angegrillt wird.

Nur so viel: Das Erlebnis ist von solch massiver, unvergleichlicher Köstlichkeit, dass man danach lange kein Rindfleisch wird essen wollen. Weil alles andere dagegen abstinkt, aber auch weil es sich mit mindestens 150 Euro für ein Zwei-Personen-Steak nur alle heiligen Zeiten ausgeht.

Nachhaltig beeindruckendes Hendlgericht

Es wäre aber schade, deshalb auf die Herrlichkeiten zu vergessen, die die Köche nach Lalibertés Anleitung sonst so aus dem Feuer holen: scharfwürzige Escalivada aus Grillgemüse (Puntarelle, Karden, Kohlrabi und anderes Edel-Grün) mit Harissa-Dressing etwa oder zart angekokelte Bittersalate mit Sesamsauce und Knusperzwiebel – im Spiel zwischen Bittere, Süße, Röst- und Nussaromen unheimlich komplex.

Weiters gegrillte Paprika mit Stockfisch-Brandade oder glasig gegrillte Makrele mit Fenchel und ganz kurz blanchiertem Spinat. Den Vogel schießt aber ausgerechnet die marinierte, gegrillte Hendlkeule mit Mangold ab – in seiner knusprig, rauchig würzigen Saftigkeit ein nachhaltig beeindruckendes Hendlgericht. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 14.3.2014)