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EUFOR-Soldaten in Bosnien-Herzegowina während einer Übung.

Foto: AP/Emric

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Illustrationen: Maria von Usslar

"Wie weit sind militiärische Organisationen in der EU entwickelt? Frontex oder aber auch die europäische Eingreiftruppe (wenn die denn so heißt), fragt UserIn universaldilettant aka iq007

Momentan unterhält die EU Missionen in Somalia (EUTM Somalia), am Horn von Afrika, in Mali, in Bosnien-Herzegowina und in Zentralafrika (im Aufbau). Die jüngste beschlossene Militärmission ist die in der Zentralafrikanischen Republik, der Zeitpunkt des Starts ist allerdings noch offen. Hintergrund: Mehrere osteuropäische Staaten und EU-Partnerländer haben mögliche militärische Zusagen für die geplante 600 Mann starke EU-Truppe wegen der unsicheren Lage in der Ukraine gestoppt.

Zuvor hatten Polen, Estland, Lettland, Portugal und Rumänien eine "substanzielle" Beteiligung für den Zentralafrika-Einsatz der EU in Aussicht gestellt. Auch Georgien hat nach Angaben von Diplomaten einen Beitrag mit 100 Soldaten an dem Einsatz erwogen, obwohl es kein EU-Mitglied ist. Aus Österreich soll die EU-Truppe von sechs Stabsoffizieren unterstützt werden, die aber nur fallweise in der Zentralafrikanischen Republik präsent sein werden. Wie bei vielen EU-Einsätzen ist auch diesmal die gemeinsame Finanzierung höchst umstritten.

Schwächen der GSVP

Dieses Beispiel offenbart die Schwächen der europäischen Sicherheitspolitik gut. "Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU existiert bisher wirklich bloß als Überschrift," sagte der österreichische Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky im Herbst in einem Interview mit dem STANDARD. Was Vranitzky äußert, ist keine Einzelmeinung, oft und zahlreich ist die Kritik an der zweiten der drei Säulen der Europäischen Union: Zu langsam, zu uneinheitlich, Belastungen zu ungleich verteilt, zu zahnlos, zu intergouvernemental.

Militärische Aufgaben

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) als Teil dieser Säule hat sich langsam entwickelt und war zahlreichen nationalen Widerständen ausgesetzt. Für die EG waren zunächst keine militärische Aufgaben vorgesehen. Eine gemeinsame Verteidigungspolitik entwickelte sich nur zwischen den einzelnen Staaten, tonangebend dabei waren Frankreich und Deutschland. Erst 1992, bei Gründung der EU, wurde im Vertrag von Maastricht ausdrücklich festgelegt, dass die Sicherheitspolitik in Zukunft eine Zuständigkeit der Europäischen Union ist, allerdings nicht vergleichbar mit der Nato als Militärbündnis. Unter Javier Solana, dem Hohen Vertreter für Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, wurde der Bereich weiter ausgebaut und entwickelt.

Im Wesentlichen kennt die EU sieben verschiedene Typen von Missionen und Operationen, die von unterschiedlichen Akteuren ausgeführt werden: Beobachtermissionen, Grenzüberwachungsmissionen, Rechtsstaatsmissionen, Missionen zur Sicherheitsbereichsreform, militärische Operationen und  militärische Ausbildungsmissionen. Seit 2003 werden militärische Operationen durchgeführt (z.B. Atalanta oder EUFOR Althea). Realpolitisch tendiert die EU insgesamt in ihren Strategien weiter auf diplomatische Aktionen und friedenserhaltende Maßnahmen.

So kam zum Beispiel die vor zehn Jahren gegründete schnelle Eingreiftruppe (Battle Groups) noch nie zum Einsatz. Gedacht für den Einsatz bei Erstmissionen in einer Krisenregion zur Vorbereitung eines weiteren Einsatz (z. B. im Rahmen der UNO), sollten die Battle Groups die aktive Handlungsfähigkeit der EU erhöhen. Von den Gründern auch als Ergänzung der Nato Response Force gedacht, wird sie von Kritikern als Konkurrenz dazu gesehen. Erstmals sollten die Battlegroups in der Zentralafrikanische Republik zum Einsatz kommen, es kam aber zu keiner Einigung.

Grenzschutzagentur

Die Grenzschutzagentur Frontex (European Agency for the Management of Operational Cooperation at the External Borders of the Member States of the European Union), die UserIn universaldilettant aka iq007 erwähnt, ist hingegen ein Instrument der inneren Sicherheit der Europäischen Union. Die Agentur ist für den Schutz der EU-Außengrenzen zuständig und wurde erstmals 2006 vor den Kanaren eingesetzt. In der Praxis bedeutet das vor allem, die illegale Einwanderung meist über die Mittelmeerländer Italien, Malta, Spanien und Griechenland zu verhindern.

Zu diesem Zweck dirigiert Frontex mit Sitz in Warschau nationale Einsatzkräfte bei der Küstenüberwachung. Flüchtlingsboote werden abgefangen und in die Gewässer afrikanischer Staaten eskortiert, Berichte über Flüchtlingsrouten angefertigt, Personal speziell geschult. Bittet ein Mitgliedstaat Frontex um Unterstützung, wird der Einsatz im Kommunikationszentrum in Warschau geplant und koordiniert. Die Mitgliedstaaten wiederum stellen Personal und Ressourcen zur Verfügung. Auf dem Mittelmeer unterstützen beispielsweise seit Juli 2012 Beamte aus elf Ländern, darunter Österreich, die Küstenwache. Kritisiert wird zunehmend, dass die Kompetenzverteilung zwischen Frontex-Mitarbeitern und den nationalen Grenzbeamten oft  unklar ist.

Die EU sieht in der Agentur ein probates Mittel, um die illegale Einwanderung einzudämmen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die Beamten nicht prüfen, ob sich an Deck Schutzbedürftige befinden, die Anrecht auf Asyl hätten und die Boote außerdem auf gefährliche Routen abdrängen würden.

Nach den massiven Flüchtlingstragödien im Mittelmeerraum, bei denen zahlreiche Menschen ums Leben kamen, wurde Ende des vergangenen Jahres das Überwachungssystem Eurosur ins Leben gerufen, bei dem auch Drohnen, Offshore-Sensoren und Satellitensuchsysteme eingesetzt werden, um möglichst früh Erkenntnisse über aktuelle Flüchtlingsbewegungen und sogenannte Schlepperorganisationen zu erhalten. Dezidiert soll eine ihrer Aufgaben auch die "Rettung von in Not geratenen Menschen" sein. Dass dies tatsächlich geschehe, bezweifeln Kritiker. (mhe, red, derStandard.at, 21.3.2014)