Spielende Kinder gelten zivilrechtlich als Lärmquelle. Im steirischen Baugesetz wurde diese Passage nun geändert. Trotzdem können Anrainer rechtlich gegen Kinderlärm vorgehen.

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Graz/Wien - Kinder sind keine Rasenmäher. Auch wenn sie genauso laut sind, werden sie im steirischen Baugesetz nicht mehr als Lärmquellen gewertet. Eine entsprechende Novelle wurde im Landtag einstimmig beschlossen. Geräuscheinwirkung von Spielplätzen, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen gehörten nicht zu den unzumutbaren oder das ortsübliche Maß übersteigenden Belästigungen, heißt es in der neuen Passage. Die Novelle soll Verzögerungen durch Einsprüche von Anrainern beim Bau von Kindergärten und Spielplätzen verhindern. Da bisher alle Arten von Lärm gleichbehandelt wurden, war es möglich zu klagen oder Lärmschutzwände einzufordern.

Einsprüche gegen Kinderspielstätten zu erheben sei aber auch weiterhin möglich, sagt der Wiener Kinder- und Jugendanwalt Anton Schmid. Anrainern sei es möglich zivilrechtlich vorzugehen und sich auf das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) zu berufen, das nach wie vor alle Arten von Lärm gleichsetzt. Maßnahmen wie Lärmschutzwände und Spielverbote können also auch nach Ende der Bauphase noch eingefordert werden.

Beschwerden über Kinderlärm gibt es in Österreich häufig. Im oberösterreichischen Hörsching beispielsweise wurde jahrelange ein Rechtsstreit um den Bau eines Kinderspielplatzes geführt, der zur Errichtung eines Maschendrahtzaunes und 2003 sogar zu einem gerichtlichen Ballspielverbot führte. In Völkermarkt in Kärnten fühlte sich ein Ehepaar durch die Geräuschkulisse eines benachbarten Kindergartens belästigt und verlangte die Aufstellung einer Holzwand.

Grundsätzlich vermeiden

Die Handhabung solcher Streitigkeiten ist in den Bundesländern rechtlich sehr unterschiedlich geregelt. Meist haben die Gemeinden freie Hand.

In Oberösterreich wurde 2013 ebenfalls im Baugesetz verankert, dass Kinder keine schädliche Umwelteinwirkung darstellen. In Wien hingegen gibt es keine entsprechende Regelung.

Sie würde auch nicht viel ändern, meint Schmid, denn neben dem ABGB werden auch in den Polizeigesetzen gewöhnlicher Lärm und Kindergeräusche nicht auseinandergehalten - und Lärm sei grundsätzlich zu vermeiden. Trotzdem setze er sich seit Jahren für eine Änderung ein. In Österreich fehle aber bisher das Bekenntnis dazu, diese Thematik gesamtheitlich anzugehen.

Gegen Hüpfnachbarn

Die Streitfälle um Kinderlärm sind aber insgesamt sehr unterschiedlich. Es wäre falsch zu sagen, Kinder dürften immer schreien, meint Erika Wagner, Professorin am Institut für Umweltrecht in Linz. Der Klage eines Mieters sei beispielsweise vom Obersten Gerichtshof (OGH) zugestimmt worden: Die hüpfenden Kinder in der Wohnung über seiner waren aufgrund mangelnder Schalldämmung zu laut zu hören.

Das Gericht habe im Einzelfall zu prüfen, ob die Geräuschentwicklung tastsächlich über das zumutbare Maß hinausgehe und ortsunüblich sei. Entscheide sich jemand für ein Haus neben einem Kindergarten oder Freibad, werde er später kaum gegen die Geräuschkulisse argumentieren können. Darüber hinaus müssten sich Entscheidungen und Urteile am Durchschnittsmenschen orientieren, und dieser sei rechtlich als kinderlieb anzusehen, erklärt Erika Wagner.

Für Bewegungsbedürfnis

Obwohl Kinder also zivilrechtlich nicht von anderen Lärmquellen zu unterscheiden sind, wird bei ihnen in der Praxis eine Ausnahme gemacht, so die Professorin weiter. Eine Klägerin beschwerte sich über den Lärm, der von einem Fußballplatz neben ihrer Dachterrassenwohnung ausging. Durch die ununterbrochenen Spielzeiten, die lärmenden Kinder und das Abprallen des Balles fühlte sich die Anrainerin belästigt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied im Sinne des öffentlichen Interesses: Das Bewegungsbedürfnis der jungen Menschen sei zu berücksichtigen.

Am 29. April wird der bereits 17. internationale Tag des Lärms begangen. In Graz wird im Rahmen einer Tagung der grundsätzlichen Frage nachgegangen, ob Kindergeräusche Lärm sind. (Christa Minkin, DER STANDARD, 13.3.2014)