Am Donnerstag wird Papst Franziskus ein Jahr regiert haben. In dieser Zeit ist es dem Argentinier mit italienischen Wurzeln gelungen, die pessimistische und verbiesterte Stimmung in der katholischen Kirche umzudrehen. Der deutsche Papst Benedikt hinterließ, wann immer er auftrat, Ärger und Kopfweh. Er war ein Mann der Verbote. Die Gebote bleiben auch unter dem Nachfolger aufrecht, aber er ist ein Mann des Lichtes, des Lächelns, des Liebens im Sinn der Menschennähe.

Weil sich gleichzeitig der russische Staatspräsident Wladimir Putin im Zuge der Umwälzungen in der Ukraine und der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland ins Unrecht gesetzt hat und zum "gefährlichsten Mann der Welt" ("Profil") ernannt wurde, hat die westliche Welt wieder ein Gegensatzpaar. Hier der gute Papst, dort der böse Putin. Hier die helle Lichtgestalt, dort der Fürst der Finsternis. Ein Brandstifter ("Spiegel"), ein Kidnapper ("Time").

Kein "politischer Papst"

Hinter diesen Gegensatz, den der persische Religionsstifter Mani im dritten Jahrhundert in die Welt gebracht und der sich auch im Christentum festgesetzt hat, sind Fragezeichen zu setzen. Im Unterschied zu seinem Vorvorgänger Johannes Paul II. ist Franziskus kein "politischer Papst", sondern eine sozialphilosophische Gestalt. Auch die Zeiten, in denen die beiden römischen Boden betreten haben, sind verschieden. In den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts herrschte noch der Kalte Krieg, heute drückt die Wirtschafts- und Finanzkrise Millionen Menschen nieder.

Putin wiederum ist mit Sicherheit kein Hitler. Er tut, was noch im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert gang und gäbe war: Er annektiert Länder oder Landesteile. Trotzdem warnt der Historiker Christopher Clark davor, die momentane Krise zum Vorspiel eines Weltkiegs zu machen. Eher stimme der Vergleich mit dem Krimkrieg zwischen 1853 und 1856. Die Putins von damals galten der Bevölkerung noch als Lichtgestalten – doch Krieg als Licht, das gilt heutzutage nicht mehr.

Wer agiert wie ein "Staatsmann" des 19. Jahrhunderts (und zu dieser Art von "Staatsmännern" zählte auch George W. Bush), der kann heute zwar im eigenen Land, nicht aber im Westen auf Applaus zählen.

Da Franziskus kein weltlicher Führer ist und der "Schwächling" Barack Obama kein Kriegstreiber, ist das Gegensatzpaar ein medialer Knüller und ein Gesprächsthema. (Gerfried Sperl, derStandard.at, 12.3.2014)