Am Donnerstag (Sport 1, 20:45 Uhr) empfangen die Bayern mit Real Madrid ein absolutes Spitzenteam des europäischen Basketballs in der heimischen Arena - zu einem Pflichtspiel, wohlgemerkt. Das Rückspiel gegen Real in der Zwischenrunde der Euroleague (der Champions League des Basketballs) ist der vorläufige Höhepunkt einer rasanten Entwicklung: Keine vier Jahre ist es her, dass die Münchner nach der Wiederentdeckung ihrer Basketball-Abteilung den damaligen deutschen Nationaltrainer Dirk Bauermann engagierten, um überhaupt erst einmal in die höchste deutsche Liga aufzusteigen.
Das gelang den Bayern damals mit Bravour. Mit Real gastiert nun in gewisser Weise das große Vorbild der Münchner in Deutschland. Die Basketballer fristen beim spanischen Fußballverein kein Schattendasein, sondern sind seit Jahrzehnten die zweite Abteilung des Klubs auf internationalem Spitzenniveau. Achtmal holten die königlichen Korbjäger den Europapokal der Landesmeister, der wichtigste europäische Bewerb vor Gründung der Euroleague. Von dieser Klasse sind die Bayern noch ein gutes Stück entfernt.
Bayrisches Transferfeuerwerk
Auf dem richtigen Pfad sind sie aber allemal. In ihrer zweiten Saison in der Basketball-Bundesliga (BBL) stießen die Bayern vergangenes Jahr bereits bis ins Play-off-Halbfinale vor, scheiterten dort aber am späteren Titelträger Brose Baskets Bamberg. Nach dieser Niederlage entfachten die Münchner im Sommer 2013 ein regelrechtes Transferfeuerwerk: Der deutsche Seriensieger vergangener Tage - Alba Berlin - wurde um die deutschen Nationalspieler Heiko Schaffartzik und Yassin Idbihi sowie die Top-Forwards Nihad Djedović und Deon Thompson erleichtert, MVP und Kraft-Center John Bryant kam aus Ulm. Mit dem deutschen Scharfschützen Lucca Staiger als Shooting-Guard sowie den leistungsstarken Legionären Malcolm Delaney und Bryce Taylor ist der 12er-Kader nun zu drei Vierteln mit Neu-Bayern besetzt. Mit Svetislav Pešić steht zudem ein international renommierter Trainer an der Seitenlinie.
Die Transferoffensive hat sich ausgezahlt: In Deutschland geht die Grundrunde der BBL ins letzte Viertel und die Bayern stehen vor Vorjahressieger Bamberg an der Spitze. Auch international wurden die Bayern, für die Euroleague mit einer Wildcard ausgestattet, ihren hohen Ansprüchen bisher gerecht: In Gruppe C setzten sich die Deutschen im Vier-aus-Sechs als Vierter durch und ließen die Italiener von Monetpaschi Siena sowie den polnischen Klub Stelmet Zielona Góra hinter sich. Im Gegensatz zu ihren Neo-Erzfeinden aus Bamberg, die als deutscher Meister in ihrer Gruppe nur Fünfte wurden.
Gegen Piräus auf Augenhöhe
Insbesondere in den beiden Duellen (83:88, 103:105) gegen die griechische Star-Équipe von Olympiakos Piräus bewiesen die Bayern, dass sie mit den Branchengrößen bereits mithalten können. Die Deutschen brachten die Griechen zeitweise an den Rand einer Niederlage. Im Rückspiel vergab Point Guard Schaffartzik die Chance auf den Sieg erst mit dem Schlussgong, als er den möglichen Sieg-Dreier in Bedrängnis an den Ring warf. Im Spiel gegen Galatasaray Istanbul sicherten sich die Münchner dann am letzten Spieltag dank eines klaren 88:68-Sieges das Weiterkommen.
In die Zwischenrunde (Modus Vier-aus-Acht) sind die Bayern gut gestartet. Von den ersten acht Spielen wurden vier gewonnen, nur im Hinspiel bei Real (87:111) sowie gegen das andere Topteam der Gruppe, ZSKA Moskau (61:86), fielen die Niederlagen deutlich aus. Die Bayern also auf klarem Kurs in Richtung K.o.-Runde? Nicht ganz, denn ausgerechnet gegen Partizan Belgrad, bis dahin nur einmal siegreich gewesen, patzten die Deutschen. "Das war eins unserer schlechtesten Spiele der Saison", ließ sich vergangene Woche Trainer Pešić nach der 55:70-Niederlage zitieren. "Die Defense ist unsere Grundlage. Und heute haben wir in der Defense versagt. Wir haben zu viele Bälle verloren und Partizan leichte Punkte ermöglicht."
Entscheidung erst im April?
Solch eine Vorstellung können sich die Münchner gegen Real nicht erlauben. Doch auch wenn die Bayern ihr Maximum abrufen, alles andere als ein ungefährdeter Sieg der Madrilenen ist eine Überraschung. Die Entscheidung über das Weiterkommen fällt womöglich erst am letzen Spieltag im April, wenn die Bayern beim aktuellen Vierten Lokomotiv Kuban Krasnodar in Russland gastieren.
Eines steht jetzt schon fest: Die Bayern werden weiter angreifen, auch im kommenden Transfersommer. Seit Monaten halten sich hartnäckige Gerüchte, dass Anton Gavel von den Brose Baskets nach München wechselt. Der Aufbauspieler ist das Herz des Bamberger Spiels, sein Abgang wäre eine enorme Schwächung für den Erzrivalen, sportlich wie psychologisch. Mit Paul Zipser wissen die Bayern zudem seit Anfang 2013 eines der größten deutschen Basketball-Talente in ihren Reihen. Der 20-Jährige sammelt in dieser Saison seine ersten Minuten in der BBL. Vielleicht wird er der erste Bastian Schweinsteiger in der jungen neueren Geschichte des Münchner Basketballs. (Jörn Wenge, derStandard.at, 12.3.2014)