Berlin - Im Fokus der Studie standen straffällig gewordene Jugendliche aus den Niederlanden, bei denen eine antisoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde. Wissenschaftler der Universität Leiden und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin ließen die 15- bis 21-Jährigen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung im Gefängnis oder der Jugendstrafanstalt saßen, das sogenannte Mini-Ultimatum-Spiel spielen.

Mit dem Kooperationsspiel, bei dem Fairnessüberlegungen simuliert werden, unterbreitet ein Gegenspieler dem Probanden ein Geldangebot, das er annehmen oder ablehnen kann. Bei der Entscheidung hilft die Information, welches möglicherweise fairere Angebot dem Gegenspieler noch zur Auswahl stand oder ob dieser keine andere Alternative hatte. Mit Hilfe des Magnetresonanztomografen (MRT) wurde die Hirnaktivität während des Spiels gemessen.

Ähnliche Reaktion auf faire und unfaire Angebote

Durch dieses bildgebende Verfahren sowie durch den Vergleich der Ergebnisse mit denen einer sozial unauffälligen Kontrollgruppe, konnten die Wissenschaftler beobachten, was im Gehirn der Probanden bei Fairnessüberlegungen abläuft. Demnach wiesen die straffälligen Jugendlichen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere Hirnaktivität im Übergangsbereich zwischen Temporal- und Parietallappen sowie in der unteren Hirnwindung des Frontallappens auf. Diese Hirnareale sind unter anderem für die Fähigkeit sich in andere hineinzudenken und für die Impulskontrolle zuständig.

Bei beiden Gruppen verzeichneten die Wissenschaftler ähnliche Aktivierungsniveaus im dorsalen anteriorem cingulären Kortex sowie in der vorderen Inselrinde - allesamt Hirnareale, die mit emotionalen Prozessen in Verbindung gebracht werden. Obwohl beide Gruppen zwar emotional gleich stark auf faire und unfaire Angebote reagierten, lehnten die straffälligen Jugendlichen unfaire Angebote häufiger ab. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe zogen sie nämlich nicht in Betracht, welche Intention der Gegenspieler verfolgte und ob dieser womöglich gar keine andere Wahl hatte.

Teufelskreislauf

Die Forscher ziehen daraus den Schluss, dass sozial auffällige Jugendliche Schwierigkeiten zu haben scheinen, sich in andere hineinzuversetzen und alle relevanten Umweltinformationen - wie beispielsweise die Absichten anderer - in sozialen Interaktionen zu berücksichtigen. Dies wiederum kann zu antisozialen Verhaltensweisen führen, so die These der Wissenschaftler. 

"Die Jugend ist durch vielfältige körperliche, neurologische und soziale Veränderungen gekennzeichnet. Durch die Studie unter Jugendlichen haben wir die Chance, besser zu verstehen, was in dieser sensiblen Phase passiert und wie es zu Fehlentwicklungen, also zur Ausbildung antisozialer Verhaltensweisen, kommt", sagt Erstautor der Studie Wouter van den Bos, vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Die Ergebnisse der Studie könnten nun in die Entwicklung von psychotherapeutischen Maßnahmen einfließen, so die Forscher. (red, derStandard.at, 12.3.2014)